Schärfentiefegewinn durch Verschwenken des Objektivs statt Abblenden
Physik …
… oder genauer die Scheimpflugsche Regel macht es möglich. Wikipedia: "Die Scheimpflugsche Regel oder Scheimpflug-Bedingung besagt, dass sich Schärfe-, Objektiv- und Bildebene in einer gemeinsamen Geraden schneiden. Diese Aussagen sind nach dem österreichischen Offizier und Kartographen Theodor Scheimpflug benannt." Wer Lust hat, kann gerne den Versuch unternehmen die Zeichnung der scheimpflugschen Regel in Wikipedia zu verstehen ;-) Für mich deutlich anschaulicher wird es auf der Internetseite OptoWiki Wissenschaftsdatenbank unter "Scheimpflug-Prinzip". Dort genügt ein Blick auf die Zeichnungen, um das Prinzip besser zu verstehen.
Oder jetzt nochmal etwas anders versucht:
Um einen gewollten Ausdehnungsbereich eines Fotomotivs abbildungsscharf zu erfassen, ist es je nach Ausdehnung nicht möglich den gewünschten Bereich durch starkes Abblenden scharf zu bekommen. Denn sobald mehr als eine Stufe über die aus dem Produkt Pixelabstand (Pixelpitch) x 2 errechenbare Blende abgeblendet wird, geht die Gesamtschärfe durch die so genannte Beugungsunschärfe immer weiter bis zur Unbrauchbarkeit des Fotos in die Knie.
Die Methode das Motiv durch mehrere zu verrechnende Einzelaufnahmen durch so genanntes Fokus-Stacking zu einer von vorne bis hinten scharfen Aufnahme abzulichten ist eine Möglichkeit.
Beschrieben im Beitrag "Medical-NIKKOR Auto 1:5.6 f=200mm Nippon Kogaku Japan": Wer in der Digitalwelt unbedingt mit ganz kleinen Blenden fotografieren will/muss, kommt um das so genannte Focus Stacking nicht herum — manuelles oder automatisches Verrechnen mehrerer Fotos für ein von vorn bis hinten scharfes Foto. Die Internetseite "kwerfeldein" hatte unlängst den Beitrag "Die beste Lösung für Focus Stacking". Das ist/wird nie meine Welt. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach bekommt ein dramatisch belichtetes Landschaftsfoto nicht automatisch mehr Aussage, nur weil es von vorn bis hinten perfekt scharf ist. Analog ging es mit Kleinbild und Kodachrome 25/64 oder Mittelformat ja auch ohne Fokus-Stacking. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Die zumindest in Analogfotografiezeiten elegantere Methode besteht im Einsatz von gewöhnlich großformatigen Fachkameras, wo das Objektiv nicht einfach nur in bestimmten Bereichen nach oben/unten, rechts/links verschoben werden kann, sondern die so genannte Standarte, die das Objektiv aufnimmt, nach vorne/hinten gekippt werden kann. Erweitert möglicherweise durch den Glasplatten- oder Planfilmhalter der Kamera, der bei einigen Kameras ebenfalls gekippt werden kann.
Durch dieses Kippen liegen "auf einmal" Bereiche in der Schärfe, die durch Abblenden nicht erreicht würden! Dieses Kippen des Objektivs wurde auch auf kompaktere 6x6 bis 6-9 Mittelformatkameras übertragen. Bis schließlich runter zum Kleinbildformat, wo unter anderem Canon und Nikon Objektive anboten und anbieten, die in sich gekippt werden können.
Bei dieser Demonstration wurde einfach ein Nikon F-/microFourThirds-Adapter eingesetzt, der (in Grenzen) kippbar ist. Es sollte im Foto zu erkennen sein, dass zumindest Bildsensor- und Objektivebene nicht parallel sondern in einem sichtbaren Winkel zueinander stehen. Zum Einsatz zum Kippen/Tilten kam das lichtstarke Nikon NIKKOR-NC Auto 1:1.4 f=35mm auf einem entsprechenden Adapter auf die spiegellose 16 MP Olympus OM-D E-M5. Der Olympus-Sensor hat einen Pixelabstand/Pixelpitch von 3,7 µ. Was einer Blende, bei der Beugungsunschärfe beginnt, von 3,7 x 2 = 7,4, großzügig gerundet f/8 entspricht.
Das lichtstarke 35er wird durch den Cropfaktor 2 der mFT Olympus zum leichten 70 mm Tele und ist ganz sicher kein "Makro-/Reproduktionsobjektiv". Ich wollte zum sicheren Fokussieren mit Hilfe des OM-D E-M5 Monitorzooms einfach Lichtstärke haben! Und ich habe beim Experimentieren auch keine Winkel zwischen Objektiv - und Sensorebene gemessen, sondern 1x eine Blendenreihe von f/2 bis f/8 mit unverkipptem Objektiv angefertigt und dann eine zweite, gleiche Blendenreihe mit maximal — was der Adapter hergibt — verstelltem Adapter.
Links Objektiv unverschwenkt, rechts verschwenkt, 4000 Pixel Breite bei gleicher Blende!
Von oben nach unten jeweils Blende f/2, f/2,8, f/4, f/5,6, f/8
Trotz der vergleichsweise primitiven Versuchsanordnung sollten die Vergleichsfotos eine Ahnung geben, was mit präzisen Fachkameras, nicht minder präzisen Tilt-Objektiven und präzisem Arbeiten (!) auf diesem Gebiet der Sachfotografie möglich ist, wenn es gefordert wird. Die hier gezeigten direkten Vergleiche ungekippt/gekippt sind besonders bei großen Blenden/kleinen Blendezahlen von f/2 bis f/4 für mich beeindruckend.
Ich vermute mal, dass es mit den kurzen Brennweiten etwas leichter wird. Zumindest mit dem reichlich groben Kipp-Adapter, den ich für Nikon F Objektive aufs microFourThirds-Bajonett habe.
Präziser?

Wer es präziser haben will, muss Größenordnung 130 Euro in einen besseren Adapter investieren. Was ich für die paar Spielereien nicht vor habe. Denn es ist absolut nicht meine Welt – Tabletop-/Sachfotografie –, aber der Sohn verfügt noch über reichlich LEGO und mehr, woraus man etwas aufbauen kann ;-) 2023 …
21 Megapixel Vollformat Canon EOS 1Ds MK III plus Canon TS-E 24 mm 3.5 L II. Das Objektiv kann +/- 12 mm aus der optischen Achse verschoben, bzw. +/- 8,5 Grad gekippt werden.
Was da für sehr zivile 119 Dollar angeboten wird, kann aber "nur" Shiften. Sprich das Objektiv in der optischen Achse verschieben, um unter anderem bei Architekturaufnahmen die stürzenden Linien zu eleminieren. Das geht noch preiswerter auch per Software, ist von der Abbildung aber inkorrekt. Was allerdings nur Experten bemerken. Die erkennen, ob optisch geshiftet wurde oder per Software. Das Shift-Objektiv Angebot ist dennoch interessant, denn der nächste Schritt ist dann entweder ein kippbares Objektiv vergleichbarer Machart zum ähnlichen Preis oder gleich ein preiswertes Tilt-Shift-Objektiv. Man wird sehen …
Ich hatte noch nicht fertig getippt/editiert, da ploppten bei Nikonrumors.com diese Meldungen auf:
Es geht immer weiter! Ich werde mich auch 2023 etwas in Herrn Scheimpflug üben, "kippen" ;-) Aber mit meinen vorhandenen Bordmitteln und: Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Ralf Jannke, zwischen den Jahren 2022/2023
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Autor: | Ralf Jannke |
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Erstellt: | 29.01.2023 |
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