Sony Mavica MVC-FD91 Kurzbericht VON Christian Zahn
Hier stelle ich eine der frühen digitalen Kameras von Sony vor. Sie hat eine Besonderheit: statt auf Speicherkarten legt sie die Bilder auf 3,5“-Disketten ab. Leider ist mein Exemplar defekt, darum zeige ich keine eigenen Beispielaufnahmen. Boris hat diese Kamera hier bereits vorgestellt.
Spezifikationen:
- Die Ende 1998 vorgestellte Sony Mavica MVC-FD91 ist 140 x 103 x 163 mm groß und wiegt mit Akkus und Speicherkarte 950 g.
- Der 1/3“ (4,8x3,6 mm) CCD-Sensor mit Pixelpitch 4,5µm löst maximal 1024 x 768 Pixel = 0,9 Megapixel auf. Die Empfindlichkeit ist unbekannt. 15-Sekunden-Videos sind mit 320x240 Pixeln möglich, bei 160x120 Bildpunkten ca. 60 Sekunden. Bilder werden als JPEG oder BMP auf HD-Disketten (1,44 MB) mit doppelter Geschwindigkeit gespeichert.
- Zur Bildkontrolle ist ein 2,5“ LCD Monitor mit 84.260 Subpixeln vorhanden, der auch die Menüsteuerung übernimmt. Zusätzlich ist ein Videosucher mit 180.000 Subpixeln eingebaut.
- Das Objektiv ist ein 5,2-72,8mm/1:1,8-3,2 (37-518 mm @KB) 14-fach Zoom
- Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S) für Standbilder bzw. kontinuierlicher Fokus (AF-C) für Videos, Ermittlung durch Kontrasterkennung des Bildsensors
- Belichtungssteuerung durch Vollautomatik, Matrixmessung. Belichtungszeiten 1s bis 1/4000 sek., Selbstauslöser mit 2 oder 10 s Vorlaufzeit
- eingebauter Blitz mit ca. Leitzahl 12
- Weißabgleich automatisch oder manuell
- optische Bildstabilisierung mittels beweglicher Linsengruppe
- Energieversorgung durch Lithiumakku, zusätzlich Lithium-Knopfzelle zur Pufferung der Echtzeituhr
Besonderheiten
Mavica bzw. MVC bedeutet Magnetic Video Camera. FD steht für das Speichermedium Floppy Disk.
Optik und Bildsensor sowie der Akku stammen aus Sony Camcorder-Sparte, sie wurden ursprünglich für einen tragbaren Hi8-Rekorder mit eingebauter Kamera entwickelt. Der Sensor zählt zu den kleinsten jemals in digitale Kameras eingebauten Bildwandlern.
Das Display ist mit 2,5“ für das Jahr 1998 recht groß, aber aus heutiger Sicht extrem grobpixelig, so daß nur der Bildausschnitt gewählt werden kann, eine Schärfenbeurteilung ist kaum möglich, bei den niedrigaufgelösten Bildern aber auch kaum notwendig. Es läßt sich für „Selfies“, die damals schlicht „Selbstaufnahmen“ hießen, um 180° nach oben klappen, für Über-Kopf-Aufnahmen um etwa 30° nach unten. Wie bei Sonydisplays leider üblich, leidet die FD91 unter dem „Abrubbeln“ der Antireflexschicht auf dem Panel. Das sieht unschön aus, hat aber kaum Auswirkungen auf die Sichtbarkeit des angezeigten Bildes. Schlimmer ist, daß das Panel völlig ungeschützt ist, das Aufbringen einer Schutzfolie wäre vom Kauf an ratsam gewesen, solche Folien kamen allerdings erst etwa 5 Jahre nach der Kamera auf den Zubehörmarkt.
Der Videosucher ist erheblich schärfer, er hat mehr als die doppelte Bildpunkte-Anzahl, wirk aber aus heutiger Sicht immer noch recht grob aufgelöst. Er hat Dioptrienausgleich und eine große Gummi-Augenmuschel.
Die Kamera gehört zur zweiten Generation der Mavicas, die erste zeichnete die Bilddaten analog auf eine spezielle 2,5 Zoll-Videodiskette auf, seit 1997 baute Sony die im Computerbereich verbreitete 3,5“-HD-Diskette in die Mavicas ein. Sony hatten diesen Diskettentyp und die dazugehörigen Laufwerke in den 1980er Jahren entwickelt und Ende der 1990er Jahre war in fast allen aktuellen Computern ein 3,5“-Laufwerk mit 1,44 MB Kapazität eingebaut.
Leider reicht der Platz auf der Diskette nur für ein einziges unkomprimiertes Bild in reduzierter Auflösung, darum mußte Sony die Bilder stark komprimieren, damit jedes Bild nur ca. 200 KB groß ist und somit immerhin etwa 7 Aufnahmen in höchster Auflösung auf eine Diskette passen. Trotzdem dauert die Speicherung jeder Aufnahme recht lange, obwohl Sony die Diskette in den Mavicas mit doppelter Geschwindigkeit wie in den PC-Laufwerken drehen läßt.
Außerdem ist die Bildqualität aufgrund der hohen Kompression eher bescheiden.
Sony warb damit, daß der interne Speicher so groß sei, daß eine Diskettenkopie ohne „Diskjockey-Hampelei“ möglich sei. Vorgängermodelle erforderten dafür eine zweimaligen oder viermaligen Diskettenwechsel, weil die 1,5 MB der Diskette nicht komplett in den Speicher der Kamera paßten und somit nur die Hälfte oder ein Viertel pro „Durchgang“ kopiert werden konnte.
Sony wählte die Diskette als Datenträger, weil sie 1997-1999 sehr preiswert war (ca. 10 DM für einen Zehnerpack passend vorformatierten Floppys war günstigster Kurs für NoName-Disketten, Markenfloppys konnten aber auch mehr als das dreifache kosten). Flash-Speicherkarten mit 2 bis 128 MB Kapazität gab es zwar auch schon, aber gerade die größeren Karten kosteten Hunderte von DM und die Geräte, mit deren Hilfe diese Karten am Computer ausgelesen werden konnten, waren noch teurer.
3,5" (Zoll/Inch) Diskette – Speicherplatzproblematik
Einen anderen Weg versuchte Panasonic mit der PV-SD 4090. Die war in der Lage nicht nur auf konventionelle 3,5" 1,44 MB Disketten zu speichern, sondern Dank SuperDisk-LS-120-Laufwerk, 3,5“ 120 MB Disketten zu beschreiben und zu lesen. Das ist über 80x mehr Speicher, als auf der konventionellen 3,5“ Diskette. Aufgrund der vermutlich hohen Kosten für diese Spezialdisketten konnte sich die exotische 120 MB 3,5 Zoll Diskette nie durchsetzen …
Zurück zur Sony Mavica MVC-FD91
Das Objektiv hat einen für eine Digitalkamera des Jahres 1998 enormem Brennweitenbereich, allerdings war extremes Tele damals bereit in Camcordern durchaus üblich. Darum stammt das Objektiv auch aus der Sony-Camcordersparte. Es ist optisch stabilisiert, eine bewegliche Linsengruppe wirkt dem Wackeln der Kamera bei Freibandaufnahmen entgegen. Diese Technik ist von außen deutlich erkennbar, um die vordere Objektivkante herum ist ein klobiger Kasten herumgebaut, in dem sowohl die Bewegungssensoren als auch der Antrieb für die Linsenverschiebung angebracht sind. Der Objektivdeckel stammt ebenfalls aus der Videosparte von Sony, er ist opak, deshalb kann er zum Speichern des Weißabgleich bei aufgesetztem Deckel verwendet werden.
Der Blitz muß manuell ausgeklappt werden, die Blitzbelichtungsmessung erfolgt durch eine Meßzelle neben der Blitzröhre. Im Menü kann die Blitzleistung herauf- und herabgeregelt werden.
Die Stromversorgung erfolgt mit einem InfoLithium-Akku NP-F330 oder NP-F550, der auch in vielen Sony-Camcordern zu Einsatz kam und recht viele Aufnahmen „durchhielt“, obwohl das Diskettenlaufwerk ziemlich stromverbrauchend ist.
Die Kamera hat keinerlei Schnittstellen, die Diskette muß zum Auslesen der Bilder immer aus der Kamera herausgenommen werden. Sony bot etliches aufpreispflichtiges Zubehör an, Aufschraubfilter, Brenweitenkonverter, diverse Taschen, ein Netzgerät (die Stromversorgung erfolgt per Akkudummy) usw. Für die „Speicherung“ von Standbildern aus Sony-Camcordern gab es sogar zwei „Videodigitizer“ MVC-FDR1 / MVC-FDR3, der letztere mit eingebautem Farbdisplay. Beide Geräte konnten auch die Bilder der FD91 lesen und per Videoausgang an einem Fernseher anzeigen.
Die UVP der Mavica MVC-FD91 betrug ca. 2200 DM / 1100 Euro. Ich bekam mein Exemplar von einem Leser dieser Webseite geschenkt, vielen Dank für die Überlassung!
Ich kann leider keine aktuellen Aufnahmen zeigen, mein Exemplar meldet „Disk Error“, hat also ein Problem mit dem Diskettenlaufwerk, weder Aufnahme noch Wiedergabe ist möglich. Ein Reinigungsversuch der Schreib-Leseköpfe mit Hilfe einer Reinigungsdiskette hat nichts gebracht, der Fehler ist tiefergehender.
Ralf Jannke hat mit seiner Sony Mavica MVC-FD91 2017 noch fotografieren und videografieren können. Das Tableau oben zeigt eine kleine Menge der vor sieben Jahren aufgenommenen Fotos. Das Video sit leider unauffindbar :-(
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das Gehäuse der FD91 besteht fast komplett aus Kunststoff, auch die silbernen Teile sind aus schwarzem lackiertem Plastik, nur wenige Anbauteile sind aus Metall. Die Mavica gehört in die Klasse der frühen Digitalkameras.
Ein Urteil über die Bildqualität kann ich nicht abgeben, sie dürfte in der Oberklasse der 1 Megapixelkameras vor 2000 rangieren.
Fazit: eine digitalkamerahistorisch hoch interessante Kamera (ein Modell, das auf Floppys aufnimmt, gehört in jede Sammlung!), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen nicht mehr geeignet, da die Auflösung zu gering ist.
Christian Zahn, Oktober 2024
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 24.10.2024 |
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