Tamron 28-105 an Canon EOS 5D

In diesem Kurzbericht geht es um die Verwendung eines ca. 25 Jahre alten Zoomobjektivs an einer digitalen Spiegelreflexkamera mit Vollformat-Sensor. Das Objektiv stammt aus der analogen Ära.

Tamron wurde 1950 gegründet und hat einige Innovationen in seiner Geschichte entwickelt, die heute noch Bestand haben. 1957 wurde der „T2“-Anschluß vorgestellt, mit dem noch heute diverse Objektive an Kameras adaptiert werden. Um 1980 wurde das Adaptall-System präsentiert, ein Grundobjektiv kann durch spezielle Adapter an viele damals aktuelle Kameragehäuse adaptiert werden, die Offenblendenmessung und die Springblende werden übertragen. Da der Anwender den Adapter selbst wechseln kann, ist es möglich, ein Objektiv mit verschiedenen Kamerasystemen zu nutzen, ohne für jedes Kameragehäuse eine eigene Objektivserie erwerben zu müssen.

Seit etwa 1988 baut Tamron auch Autofokus-Objektive, die EOS-Varianten sind wesentlich problemloser an analogen und digitalen Canon Spiegelreflexkameras zu benutzen als die berüchtigten Objektive des Mitbewerbers Sigma. Weil dieser Hersteller das digitale Übertragungsprotokoll zwischen Objektiv und Kamera nicht von Canon lizensiert hat, sondern mittels „Reverse Engineering“ nachgebaut hat, kommt es immer wieder zu Inkompatibilitäten vor allem von älteren Sigma-Objektiven an Canon (d)SLRs. Tamron scheint dieses Problem nicht zu haben, alle meine Tamron-EOS-Objektive funktionieren an den diversen Canon-Kameras in meinem Fundus.

Eines der bekanntesten Tamron AF-Objektive dürfte das „Superzoom“ 28-200mm sein, Tamron war für einige Zeit der einzige Anbieter von Zooms mit diesem damals enormen Brennweitenbereich, das Objektiv wurde sogar mit Adaptall-Anschluß verkauft. Bei engagierten Amateuren wurde es als „Suppenhuhn“ oder „Flaschenboden“ tituliert, weil seine optische Qualität bei Offenblende aufgrund des enormen Brennweitenbereichs nur sehr bescheiden war. Sehen Sie selbst:

Spätere Versionen bekamen verbesserte Rechnungen und erreichten das Niveau „normaler“ Zoom wie z. B. dem hier vorgestelltem Modell. Tamron hat in der Vergangenheit und auch aktuell Objektive für diverse Kamerahersteller entwickelt und gebaut, so ist z. B. das AF-Nikkor 2,8/14mm von 2002 ein äußerlich leicht verändertes Tamron SP AF 14mm. Auch aktuelle Objektive der Nikon-Z-Linie baut Tamron, z.B. das Nikon Z 28-75mm f/2.8. Außerdem stammen einige Pentax-Objektive von Tamron, teilweise nur mit äußerlich leicht verändertem Aussehen, teilweise zusätzlich mit Elektronik von Pentax und Optik und Mechanik von Tamron. So gibt es das hier gezeigte Objektiv auch als SMC FA 28-105mm (IF).

Tamron 28-105 mm 1:4-5,6 (IF)

Dieses Objektiv erschien möglicherweise 1999, es wurde als „Kitobjektiv“ für sparsame Käufer entwickelt, denen die entsprechenden Objektive der Kamerahersteller zu teuer waren. Passend zur Farbe der Kameragehäuse wurde es in silber und dem hier gezeigtem „Profischwarz“ angeboten. Es wurde mit diversen Kamerabajonetten angeboten, die EOS-Version ist die einzige mit eingebautem AF-Antrieb, alle anderen Versionen (unter anderem für Nikon, Pentax und Minolta) wurden durch den Kamera-AF-Motor angetrieben. Wie erwähnt, vertrieb Pentax das Objektiv mit leicht geänderten Aussehen als „eigenes“ Objektiv.

In der Typenbezeichnung steht „IF“, es hat also eine Innenfokussierung. Der optische Aufbau ist aufwendig und hat 15 Elemente in 12 Gruppen.

Der schmale Entfernungsring läuft bei der manuellen Fokussierung sehr leicht, er dreht sich beim automatischem Fokussieren mit und der AF-Motor ist sehr laut. Die Naheinstellgrenze von ca. 0,5 Metern ist gut (bezogen auf den Verkaufspreis). Eine Bildstabilisierung ist nicht eingebaut. Der innere Aufbau ist beim Zoomen in die Telestellung zu sehen. Das ist kein Fehler meines Exemplars, sondern wurde genau so verkauft. Allerdings möglicherweise nicht bei allen Bajonettvarianten, aber in Verkaufsanzeigen des 28-105er Tamrons für EOS kann man in mancher Verkaufsanzeige ebenfalls die Platine sehen, wenn der Verkäufer das Objektiv von hinten in gezoomten Zustand fotografiert hat.

Das beim Fokussieren nicht mitdrehende Filtergewinde beträgt 62mm, das Objektiv hat einen Durchmesser von 71 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 76 mm und wiegt 310 Gramm. Beim Zoomen wird es etwa 27mm länger, beim Fokussieren verändert es sich nicht in der Länge. Die Streulichtblende rastet in ein Bajonett und war im Lieferumfang enthalten. Weil sich das Bajonett beim Fokussieren nicht mitdreht, hat die Blende Blütenform und ist darum sehr wirksam. Die Blende hat 6 Lamellen.

Das gesamte Objektiv macht einen recht wertigen Eindruck, das Bajonett ist aus Metall, die Kunststoffe der Fassung wirken durchaus nicht „billig“.

Das Objektiv verzeichnet recht viel, je nach Motiv störend. Am Vollformatsensor der 5D und Offenblende ist das 28-105 (IF) über das gesamte Bild recht unscharf und flau, Abblenden auf 5,6-8 steigert die Schärfe, danach kommt es bereits zu Beugungseffekten. Die bei Offenblende vorhandenen chromatischen Aberrationen verschwinden auch bei Blende 8-11 nicht bei allen Brennweiten vollständig. Die Vignettierung bei weit geöffneten Blenden besonders im Weitwinkelbereich muß per EBV korrigiert werden, ansonsten ist sie zu ausgeprägt.

Das Objektiv hatte um 2002 eine UVP von vermutlich ca. 190 bis 250 Euro, um 2005 herum soll es Abverkäufe für 80 bis 120 Euro gegeben haben. Der heutige Zeitwert ist auf 20 bis 100 Euro je nach Zustand, Lieferumfang und Bajonettanschluß gefallen. Ich „fischte“ im Sommer 2023 das hergezeigt und kaum benutzte Exemplar aus der „5-Euro-Grabbelkiste“ eines Gebraucht-Fotohändlers.

Ein häufiges Problem bei Zoomobjektiven: defekte Blendenantriebe

Durch die recht „offene“ Bauweise der hinteren Baugruppe des Tamron 28-105 kann ich etwas zeigen, das bei Zoom-AF-Objektiven mit elektrisch betätigter Blende allzuoft einen Defekt verursacht: das berüchtigte Flachbandkabel, das von der Objektivsteuerplatine zum Blendenantrieb läuft und bei jedem Zoomvorgang mechanisch beansprucht wird. Diverse Olympus-AF-Objektive für das FT-System und fast alle Nikon-Zooms für das „CX“-System der Nikon 1-Serie, aber auch Objektive anderer Hersteller z. B. für das Canon EOS-Bajonett sind dafür anfällig.

Dieses „Kabel“ ist gar kein übliches Kabel aus flexiblen Kupferlitzen mit Gummi-Ummantelung, sondern ein flexibles Kunststoffteil, auf das Leiterbahnen aufgebracht wurden (in der Elektronik als „Flex-Kabel“ oder „Flexible Leiterbahn“ bezeichnet). Bei jedem Zoomen „rollt“ es in sich, weil die Linsengruppe mit dem Blendenantrieb in der optischen Achse verschoben wird, der Biegeradius ist recht klein. Man kann sich leicht vorstellen, daß dieser Dauerbiegeversuch beim Kunden irgendwann zum Bruch führt, entweder des Trägermaterials oder von einzelnen stromführenden Bahnen. Dann ist das Objektiv defekt, Canon-Kameras schreiben dann meist „Err 01“ ins Display und verweigern die weitere Verwendung des Objektivs; die Nikon 1 V1 fordert auf, das Objektiv zum Service zu bringen.

Je nach Objektiv ist die Reparatur „nur“ unwirtschaftlich (weil teurer als Gebrauchtkauf eines weiteren Exemplars ohne den Fehler) oder gar nicht mehr möglich, weil alle Ersatzteile inzwischen aufgebraucht wurden und sich die Nachfertigung von neuen Ersatzleiterbahnen nicht mehr lohnen wird.

Das hier gezeigte Exemplar hat kaum Gebrauchsspuren, die Leiterbahn funktioniert einwandfrei. Jedoch hat es eine andere „Macke“, die beim Fotografieren zunächst kaum auffällt. Die Schleifkontakte, die die Stellung des Zoomrings abtasten und an den im Objektiv eingebauten Mikrocontroller melden, sind im Bereich „28mm“ verschlissen. Es wird dann „77mm“ gemeldet, in der Weitwinkelstellung steht das dann in den EXIFs und auch die Offenblende stimmt nicht, weil sie bei 28mm 1:4 beträgt und bei 77mm schon 1:5,6. Die Belichtung ist einwandfrei, weil die Differenz zwischen gemeldeter und von der Kamera gewünschter Blende korrekt bleibt.

Automatische Objektivkorrekturen wie Verzeichnung und Vignettierung sind dann natürlich sinnlos, weil bei 28mm völlig verkehrte Werte von den RAW-Konvertern verwendet werden.

Beispielfotos

Alle Beispielaufnahmen entstanden freihand, wurden gespeichert als CR2, gewandelt mit Adobe Camera RAW und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte einmontiert sowie die Aufnahmeparameter.

Fazit

Das Tamron 28-105 IF werde ich solange an der 5D verwenden, bis ich ein besseres Objektiv finde. Die EOS 5D mit 12,8 Megapixeln fordert das Objektiv nicht zu stark, es stammt zwar aus der analogen Ära, aber es tut seinen Dienst gar nicht mal so schlecht wie von mir anfangs befürchtet. Lediglich der Defekt der Brennweitenerkennung macht mein Exemplar recht eingeschränkt nutzbar, da die Elektronik bei Stellung „28mm“ 77mm an die Kamera meldet und ebenfalls falsche Blendenwerte.

Aber für 5 Euro Einstandpreis war es durchaus kein Fehlkauf. Ein Canonobjektiv wie das 28-105 USM kostet auch heute noch weit über 100 Euro, wobei es zwei Varianten gibt (1:3,5-4,5 und 1:4-5,6), erstere hat ein Metallbajonett und ist schwerer, die zweite Version hat nur ein Plastikbajonett und gilt optisch nicht als herausragend.

Christian Zahn

Kommentare (1)

  • Christian
    Christian
    vor 3 Tagen
    Interessanter Bericht.
    Dieses Objektiv schwirrt immer noch auf ebay Kleinanzeigen für um die 25€ herum, und ich bin geneigt mir das mal genauer anzusehen, obwohl ich eigentlich alle Brennweiten bis 135mm schon abgedeckt habe. Aber solche Berichte sind sehr hilfreich besonders für enthusiasten, die nicht gleich immer auf den neusten Zug mit aufspringen wollen.
    Habe meine 5D auch gerade erst verkauft und mir die 6D geholt, mein 28-135mm USM repariert und bin jetzt ganz gut ausgestattet.

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