So wie links zu sehen (Ausschnitt) wurde die CAMBO Mega Vision T2 im Prospekt angeboten. Auf einen 150 kg (!!!) schweren Stativ samt Apple Macintosch G3 Rechner. Die verstellbare Großformatkamera hatte der Käufer ;-) Die Mega Vision T2 wurde im gepolsterten "Geldkoffer" geliefert ;-) Alternativ, als Zubehör, gab es noch Adapter für Objektive mit Nikon F Bajonett, Hasselblad (6x6), Mamiya RB und Pentax 6x7.
Spezifikation
- Vorstellungsjahr 1994
- Abmessungen/Gewicht Höhe/Breite/Tiefe 200x165x60 mm, 1,7 kg
- Sensor: CCD mit 31x31 mm Größe, Auflösung 2.048x2.048 Bildpunkte 4 Megapixel
- Farbtiefe Color pro Kanal RGB 12 bit
- Sensorempfindlichkeit: Farbe ISO 25, SW (SchwarzWeiss) ISO 300
- Verschluss und Farbfilter sind im Digiback integriert
- Anschluss/Verbindung an den Apple Powermac G3 per SCSI
- T2 für Cambo-, Linhof-, Sinar- 4x5“ (ca. 10x12 cm) Großformatkameras
- Empfohlene Grossformat-Objektive von 60 bis 150 mm Brennweite mit elektronisch gesteuerter Blende
- Apple Mac G3 Rechner mit Intel Prozessor, 32 MB RAM (Arbeitsspeicher), 500 MB Festplatte, 24 bit Grafikkarte, SCSI-Adapter, 88 MB externen Syquest-Drive, 14 Zoll SVGA-Monitor
Eigentlich hätte es keine schwere Geburt sein dürfen …
…diesen Leckerbissen aus den Anfangstagen der Digitalfotografie wieder ans Laufen zu bekommen – aber.
Der Reihe nach
Im Praxisbeitrag Digibacks: "Die ersten digitalen Rückwände für Mittelformat SLRs und Großformat-Fachkameras und Scankameras aus den Mitte 1990er Jahren" wurden die Anfänge der Digitalfotografie im Bereich der professionellen Studio-Fotografie erzählt.
Das Foto Atelier Klaus Mischke hat 1997 die atemberaubende Summe von 43.000 DM (21.500 Euro) in die neue Technik investiert, um seine Großformat-Sinar-Kameras zu digitalisieren! Kritisiert von Kollegen, warum er das nicht lease. Aber 1997 hat wohl keiner die irre Geschwindigkeit der Digitalkameraentwicklung für möglich gehalten! Diese ersten Digibacks tauchen heute in eBay und sonst wo so gut wie gar nicht auf. Wer wollte auch für Steinzeit-Technik nur einen winzigen Bruchteil des ehemaligen Neupreis' bieten. Abgesehen von der heute armseligen Auflösung Größenordnung 4 - 6 Megapixel: Und wenn eine derartige Kamera nicht komplett mit Kabeln, Software und Interfacekarte — die in den Rechner muss — kommt, ist das allenfalls interessanter Elektronikschrott. Und dann fehlt immer noch der kompatible Rechner, üblicherweise ein Apple Macintosh. Die nackte Kamera als Demo für ein paar Euro in die Kaffeekasse O.K., aber mehr nicht!
Ich kann es nicht oft genug wiederholen: In Betrieb sind diese Kameras nur zu nehmen, wenn auch eine funktionierende Computertechnik der Mitte 1990er Jahre zur Verfügung steht. Und das war/ist gleichbedeutend mit Apple Macintosh! Auch in der Windows Welt gab es die Geräte-/Rechner-Verbindung SCSI. Wikipedia schreibt: Das Small Computer System Interface (SCSI) ist eine Familie von standardisierten Protokollen und Schnittstellen für die Verbindung und Datenübertragung zwischen Peripheriegeräten und Computern. Die Macs hatten diese SCSI-Architektur von Haus auf. Bei Windows musste immer nachgerüstet werden. Was nicht immer ohne Komplikationen gelang.
Das neben dem Apple Mac G3 Rechner wichtigste Zubehörteil ist in der Original Hersteller-Spezifikation rot markiert: Der Stand-alone Adapter mit 3/8" Stativanschluss und Nikon Bajonett zur Verwendung von Objektiven mit Nikon F-Bajonett auf der CAMBO T2. Nicht anders als bei den hier bereits vorgestellten Scankameras der gleichen Zeitraums, die ein Nikon F-Objektivanschluss besitzen:
Erfreulich, wenn man über den über Jahre gewachsenen Bekanntheitsgrad des virtuellen Digitalkameramuseums digicammuseum.de an nette Fotografen kommt! Statt die alte Digitalkamera-Technik gnadenlos zu entsorgen, bekamen wir das komplette Equipment bestehend aus Kamera und Apple Macintosh G3 samt umfangreichem Zubehör vom Foto Atelier Mischke, vom Fotografenmeister und Studiobesitzer Klaus Mischke als Spende geschenkt! Selbstverständlich haben wir die Kamera abgeholt.
Vielen Dank dafür an Klaus Mischke
Es war kein Problem die Cambo T2 und den dazugehörigen Apple Powermac G3 zu starten, aber: Ich konnte an den T2-Software-Parametern einstellen, was ich wollte, Schaltflächen klicken wie ich wollte, es gab kein Liveview. Die T2 startete hörbar mit Laufgeräuschen, aber eben nur mit einem Beispielfoto einer Geige je nach Einstellung in Color oder SW oder mit einem schwarzen Liveview-Bild — Sensordefekt? Was tun?
Daraufhin wurde die T2 nochmal ganz genau inspiziert und abgeklopft. Wie beim Arzt ;-) Schnell war klar, dass das komplette Innenleben der T2 auf einer massiven Aluminiumplatte montiert ist. Geschützt von einem großen, dicht schließenden Aluminiumdeckel. Unschwer durch das Klopfen zu erhören! Gehalten, fixiert wird der Aludeckel aber nicht von Schrauben, sondern von zwei so genannten Hammerschlagnieten. Um das Öffnen eigentlich unmöglich zu machen, mindestens aber zu erschweren. Da ohnehin nichts mehr kaputtzumachen war, wurden die beiden Hammerschlagnieten einfach weggeschliffen. Da der Deckel noch zusätzlich irgendwie verklebt wirkte, wurde die Kante so vorsichtig wie möglich per Teppich-/Cuttermesser und Brenner behandelt. Wegen eventueller Klebereste. Mit etwas Hebelei war der Deckel schließlich abzuziehen.
Durch jahrelange Nichtbenutzung waren die Riemen von drei Motoren/Stelleinheiten so verhärtet, spröde geworden, dass sie bestenfalls rutschen oder wie im Fall dieser T2 beim Start einer der drei Stellmotoreinheiten – mir fällt kein besserer Begriff ein – sofort brachen – siehe Foto! Das erklärt dann auch die hörbaren Laufgeräusche der T2 bei Ansteuerung durch die Software, aber auch das schwarze Liveviewbild. Es kann keine Blende verstellt, kein Verschluss geöfnet werden!
Ein Austausch der kaputten Antriebsriemen sollte doch relativ problemls möglich sein — dachte ich.
Nach Ausmessen der alten Riemenbruchstücke wurde ein Druchmesser von 1,7 mm ermittelt. Es gibt natürlich keine Riemen passender Länge aber Metermaterial von 2 mm Durchmesser aus TPU, das auch passen sollte. Die Länge wurde selbst ermittelt, und nach Zurechtschneiden sollten die Enden einfach per Heißluftgebläse angeschmolzen und verschweißt werden. Soweit die Theorie. Nur "einfach" und Heißluftgebläse war nicht.
Ums kurz zu machen: Das TPU-Riemenmaterial ließ sich mit etwas Übung tatsächlich per Feuerzeugflamme anschmelzen und verschweißen. War mit 2 mm Durchmesser aber viel zu dick und zu steif. Kleben mit Spezial TPU-Kleber oder Cyanacrylat-Sekundenkleber funktionierte hier überhaupt nicht. Der Versuch mit Schrumpfschlauch war ebenfalls "kontraproduktiv". Noch etwas dicker, steifer und total rutschig, kein "Grip". Christian Zahn meinte trocken: Nimm doch einfach Haushaltgummis. Und genau das war's!
Das Foto sollte einen kleinen Eindruck vermitteln, was für eine "Frickelarbeit" es war, die primitive Gummiringe einfach durchzuschneiden, in der Enge zu montieren und dann direkt vor Ort zu kleben. Mit Hilfe eines kleinern "Helferleins", wo die Enden des durchgeschnittenen Rings – besser als hier im Foto! – mit Hilfe von zwei Krokodilklemmen so fixiert wurden, dass sich ein winziger Tropfen Cyanakrylat-Sekundenkleber in den kleinen Spalt der Enden zog. Und dann habe ich 5 min gewartet. Auch wenn es "Sekundenkleber" heißt ;-) Und die geklebten Ringe haben tatsächlich gehalten!
Und dann wurde es spannend
Die Cambo wurde mit dem Spezial SCSI-Kabel und dem Apple Powermac G3 verbunden, der Mac eingeschaltet und dann das Hochfahren abgewartet. Dann wurde das Cambo-Programm gestartet und erstmal nur ein bisschen rumgespielt. Hmmm? Dass sich aber tatsächlich etwas tat, war spätestens über "Dark Correct" klar, als zur Kalibrierung ein so genanntes Schwarzbild erzeugt werden sollte. Nach wenigen Sekunden begann die Fortschrittsanzeige in Prozent zu steigen, um dann mit 100 % erfolgreich zu enden. Dann habe ich weiter nur rumgespielt, um auf einmal zu erkennen, die Kamera "sieht" tatsächlich!
Natürlich immer noch meilenweit entfernt von gut, aber es ließ sich erahnen, was Mitte der 1990er mit einer derartigen Kamera ging … Volle Sensorbreite: 2.048 Pixel. Rechts unten im Bild belassen: eine LED-Leuchte für die schwarzen Kameras. Objektiv 4/20 mm Nikkor.
Und Farbe? Die Cambo Mega Visio T2 wollte erstmal nicht!
Vor dem nächsten Versuch nächsten Versuch wurde die Cambo erneut geöffnet. Um zu kontrollieren, ob nicht einer meiner improvisierten Antriebsriemen aus Haushaltgummis gerissen ist. Das war nicht der Fall. Dabei habe ich aber festgestellt, dass ein winziges, vergessenes Stückchen Tesafilm, das ich zur Montage der Antriebsriemen benötigte, eine Riemenscheibe offensichtlich minimal, aber offensichtlich genug blockierte, dass die Steuerung durcheinander kam. Nach Entfernen dieser "Bremse" konnte die Cambo auf einmal Farbe! Ich habe einen kleinen Versuchsaufbau in SW und Farbe abgelichtet. Zugegeben sehr "quick and dirty".
Das ist ein echtes "Wimmelbild". Es gab doch irgendwo mal den Werbespruch "Entdecke die Möglichkeiten" ;-) Und dazu diese liebevoll gestalteten Icons fürs Cambo-Programm und die erzeugten TIFF-Dateien … Die stilisierte Großformatkamera!
Mit der gleichen Beleuchtung, aus gleicher Stativ-/Kameraposition. Mit Trial and Error habe ich mich an eine einigermaßene Belichtung rangetestet. Mit verschiedenen Blendeneinstellungen des 2/50 mm Nikon Objektivs und den Belichtungszeiten der Cambo. Die SW-Variante ist durch Blende f/16 (Schärfentiefe!) bedeutend schärfer als die mit f/4 aufgenommenen Color-Version! Kein Wunder, hat die Cambo bei SchwarzWeiss ISO 300 und bei Farbe nur ISO 25!
Nachtrag
Nachdem es mir endlich über Klimmzüge gelungen ist, an die von der Cambo erzegten TIFF-Dateien zu kommen, hier nochmal die 2.048 x 2.048 Pixel-Originale. Es lässt wirklich ahnen, was mit perfekter Beleuchtung möglich war/werden wird!
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das sollte als "Lebenszeichen" jetzt erstmal genügen. Natürlich wird das der Qualität dieser ganz frühen Digitalkamera überhaupt nicht gerecht! Irgendwann nach dem Sommer, zum Herbst, werde ich mir die Mühe machen, ein besser und gleichmäßiger ausgeleuchtetes Setup aufzubauen. Und die Cambo Mega Vision T2 nach Bedienungsanleutung so gut wie möglich kalibrieren inkl. Weißabgleich! Da geht qualitativ ganz sicher noch viel mehr. Den Datentransfer werde ich nicht wie gehabt belassen müssen, wie in den ersten Versuchen erfolgreich probiert.
Denn es ist mir gelungen die vorhandene externe SCSI Festplatte ans Laufen zu bekommen. Damit habe ich die Cambo-Dateien schon mal aus dem Rechner auf einem externen Datenträger. Und der Rest war "einfach". Habe ich doch noch einen zweiten Apple Mac G3, der unter dem Cambo-G3 steht. An den wird dann die externe Festplatte angeschlossen. Und jetzt das Wichtigste: Der Cambo-G3 läuft nur unter Mac OS 8, denn die Cambo-Software kann nur bis maximal OS 8.6. Mein erster G3 beherrscht aber Mac OS 9.1 und ist zusammen mit einer entsprechenden Steckkarte USB-fähig. Dann müssen die Cambo-Fotos nur noch von der externen Festplatte auf einen USB-Stick kopiert werden – fertig. Etwas umständlich, aber funktionierend. Und ich will mit dem CAMBO Mega Vision Digital Camera (Scan) Back T2 ja keine 100 Produktfotos aufnehmen ;-)
Alternativ ist noch ein externer SCSI CD-Brenner da, der aber natürlich auch erst laufen muss. Denn mit 700 MB CD-Rohlingen habe ich Schiffbruch erlitten :-( Einen Versuch mache ich noch mit wieder beschreibbaren CD-RW 650 MB Rohlingen. Das wäre eine etwas elegantere Lösung, die 16 bit SW- bzw. 48 bit Color-TIFF-Dateien in die moderne Rechnerwelt zu bekommen. So hat seinerzeit auch Klaus Mischke gearbeitet. Cambo-Fotos auf die CD, ab mit der CD in die Windows-Rechnerwelt. Mehr dazu im Spätsommer/Herbst!
Ralf Jannke, Juni 2024
PS.: Auch wenn dieses Cambo Mega Vision Digital Camera Back T2 und die bereits vorgestellte Kodak DCS460ir eigentlich nicht mehr zu toppen sind. Gerne nutze ich die Gelegenheit nochmal auf die Frage "Kaufen Sie auch Kameras?" einzugehen. Die Antwort: Digicammuseum.de nimmt interessante Digitalkameras nur noch zu einem symbolischen Preis (5-10 Euro in die Kaffeekasse) als Spende gegen Übernahme der Versandkosten entgegen. Für andere (Preis-)Vorstellungen gibt es eBay.
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Autor: | Ralf Jannke |
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Erstellt: | 30.06.2024 |
Kommentare (1)
Klaus Mischke
am 21.06.2024Ich bewundere Ihre Ausdauer und Ihr handwerkliches Geschick! Normalerweise hätte ich sowohl die Megavision als auch den Apple G3 Rechner im Elektroschrott entsorgen müssen. Umso schöner ist es, dieses Gerät wieder in Aktion bei Ihnen sehen zu können.
Meinen Glückwunsch!
Herzliche Grüße aus Selm
Klaus Mischke