FUJIX Nikon E2N, die "Vollformat-DSLR" von 1995

Mittelformatkamera?

Auch wenn man hier die Abmessungen nicht vergleichen kann, könnte die Silhouette als 6x6 Mittelformat-Spiegelreflexkamera durchgehen!

Und Vollformat-DSLR?

Vielleicht war es bereits 1995 möglich, einen Sensor in 24x36 mm Kleinbildformat-Größe zu bauen. Aber mit möglicherweise so hoher Ausschussrate, dass der Preis für den Sensor, die Kamera unbezahlbar geworden wäre. Die Kodak/Canon EOS1n/DCS1c mit ihrem schon großen 6 MP 18,4 x 27,6 mm (APS-H) ISO 80 Sensor kostete schon Größenordnung 50.000 Mark - 25.000 Euro. 

Der ein Jahr später 1996 verfügbare 60 x 60 mm Sensor mit 4096 x 4096 Bildpunkten = 16 Megapixel im Dicomed „Big Shot“ kostete 100.000 DM… Und umgerechnet auf die Fläche des Kleinbildformats hätte er nur knapp 4 MP geliefert. Und nur über ein SCSI-Kabel mit dem Apple Macintosh Rechnerverbunden zu betreiben. Ein Digitalback auf einer 6x6 Mittelformat SLR nur fürs Studio.

Wie also an mehr Weitwinkel und vor allen Dingen an mehr Empfindlichkeit kommen? Bei Canon hätte der Griff zum 1991 vorgestellten 2,8/14 L USM genügt. Das 2,8/17-35 Canon wurde 1996 präsentiert. Was der Nikon-Fraktion aber nichts nutzte. Das von Tamron im Auftrag für Nikon produzierte 2,8/14 mm Ultraweitwinkel Nikkor kam erst 2000 auf den Markt, und auch das 2,8/17-35 Nikkor kam erst 1999. Für mehr Bildwinkel blieb nur der Griff zum manuell zu fokussierenden 3,5/15 mm Nikkor oder dem (damaligen) Weltrekord- Ultraweitwinkel 5,6/13 mm. Denn die Kodak-Sensoren in den Rückteilen entsprechender Nikon SLRs hatten identische Abmessungen (= Brennweitenverlängerung/Cropfaktor), Auflösungen und Empfindlichkeiten wie Canon DCS3 und DCS1. Für Reportagen war das 1993 vorgestellte 2,8/20-35 mm Nikkor einfach praxisgerechter.

"Vollformat", mehr Bildwinkel, Autofokus UND hohe Empfindlichkeit

Auf Basis der 1988 vorgestellten Nikon F4 entwickelten Fuji und Nikon gemeinsam wahre DSLR-Monster, die es in sich hatten. Eine erste Ahnung davon bekam die Öffentlichkeit 1993, wo Nikon auf der IFRA in Amsterdam und der NEXPO (Newspaper Expo) in New Orleans/USA einen Prototypen präsentierte, der sofort als späteres Fujix/Nikon-Gehäuse erkennbar ist. Alles zu diesem Prototypen und den realen Kameras gab es bereits im Praxisbericht: „FUJIFILM Nikon FUJIX DIGITAL CAMERA DS-560

Damit ist die Überschrift „Vollformat-DSLR“ aber immer noch nicht „gelöst“

Wie also „Vollformat“? Das vom Kleinbild-Objektiv erzeugte Bild wird in der Fujix/Nikon nach Umlenkung fast 1:1 auf einen kleinen Sensor projiziert. Fast? Mit einer Größe von 8,8x6,6 mm handelt es sich um einen kleinen, aber lupenreinen Sensor im 4:3/FourThirds-Format. Umgerechnet auf 24 mm Bildhöhe hätte das Bild 32 mm Breite. Daraus errechnet sich eine Diagonale von 40 mm. Das volle 24x36 mm Kleinbildformat hat eine Diagonale von 43,3 mm. Die Division der Diagonalen ergibt einen Quotienten von 1,08. Ganz großzügig auf 1 abgerundet, kann man im Vergleich zum 1,3-Cropfaktor der oben genannten Canon DCS1 oder den Kodak/Nikon-Pendants also tatsächlich von „Vollformat“ sprechen: Der Bildwinkel des jeweiligen Objektivs bleibt auf den Fuji/Nikons so erhalten!

Nachteile? Ja: Durch die Umlenkung und das Relaisobjektiv, was für die Verkleinerung sorgt, geht Lichtstärke verloren, viel Lichtstärke! Die ersten Fuji/Nikon-Modelle boten vollkommen unabhängig von der Lichtstärke des angesetzten Objektivs nur f/6,7, die maximale Öffnung/Lichstärke der Verkleinerungsoptik. Die letzten Fuji/Nikon-Modelle erfuhren durch ein lichtstärkeres Relais-Objektiv immerhin eine Steigerung auf f/4,8. Die Lichtschwäche der internen Optiken wurde zu einem gewissen Teil durch die Empfindlichkeit des Systems wettgemacht. Je nach Fuji/Nikon-Modell konnte zwischen ISO 800 und 1600, ISO 800 und 3200 oder ISO 800/1600/3200 umgeschaltet werden. Hier eine kleine Tabelle über korrespondierende Lichtstärken/ISOs:

Trotz der geringen Systemlichtstärke von f/6,7 bzw. f/4,8 verlangten E2/N(s), E3/N(s), DS-505(A)/D-515(A) paradoxerweise (super-)lichtstarke Objektive. Ursache dürften u.a. der Linsendurchmesser der Hinterlinse sein, die so genannte Austrittspupille. Ist sie zu klein, reagierten die Fuji-Nikons mit heftigen Vignettierungen bis hin zur Unbenutzbarkeit des Objektivs! Diese Tabelle von 1995 gibt Aufschluss über die verwendbaren Nikkore:

Tiefenschärfe/Schärfentiefe...

Die Bemerkung in der Nikon E2/E2s-Bedienungsanleitung: „Die Schärfentiefe wird von der Blendensteuerung der Bildverkleinerungsoptik (erzeugt)“ kann ich nicht nachvollziehen. Die erzielbare Schärfentiefe kann sich immer nur auf die volle Öffnung, die Lichtstärke und Brennweite des angesetzten Objektivs beschränken. Die Blende in der Relaisoptik dient einzig und allein der Steuerung der Lichtmenge für eine vorgegebene Verschlusszeit, nicht aber, um den Schärfebereich zu vergrößern. Nicht anders als ein Graufilter, der Licht schluckt, an der Tiefenschärfe aber nichts ändert. Und der Schärfebereich kann sich nicht ändern, weil das angesetzte Objektiv nicht abgeblendet werden kann! Der Hebel im Kameragehäuse, der für die Betätigung der Springblende sorgt, fehlt. Konsequenterweise gibt es an den Fuji/Nikons natürlich auch keine Abblendhebel!

Also muss gerechnet werden, was es an Schärfebereich gibt

Als Beispiel dient das 2,8/20-35 mm Nikkor bei 20 mm Brennweite und Blende 2,8, das bis 0,5 m an ein Motiv ran kann. Bezogen aufs 24×36 mm Kleinbildformat liefern 20 mm Brennweite bei (offener) Blende f/2,8 und Einstellen der sogenannten Hyperfokaldistanz von 4,78 m einen Schärfebereich von 2,38 m bis Unendlich. Sie können auch in einem Schärfentiefenrechner nachsehen, welchen Bereich Sie bekommen, wenn Sie dichter dran sind, sagen wir 1,5 m. Die Schärfe liegt dann zwischen 1,14 und 2,18 m. Unter Umständen war es also sinnvoll den AF abzuschalten und die Entfernung am Objektiv manuell vorzuwählen...

Was diese Problematik angeht, konnte ich darüber im Internet nichts finden. Aber auch zu Zeiten, wo mit diesen Kameras gearbeitet wurde, herrschte zumindest Verunsicherung. 1998, als die Anzahl DSLRs für den Privatgebrauch ebenso übersichtlich wie unbezahlbar war, berichtete das Magazin „PHOTOGRAPHIE“ in seinem Report über „Digitale Fotografie bei der Bildzeitung“ über die „Digitalisierung der Bildredakteure“ im Springerverlag. Dessen Wahl fiel 1996 auf die schon erwähnten Kodak/Nikon-DSLRs und die Fuji/Nikon, die durch die schon gewürdigte Weitwinkelfähigkeit und Wechselmöglichkeit des Kamera-Akkus punktete. Wobei man sich auch dort – in der „PHOTOGRAPHIE“ wie in der „BILD“ – offensichtlich nicht sicher war, was Blende f/6,7 für die Tiefenschärfe bedeutet, Zitat: „Er (A. Vieweg) arbeitet gerne mit der kleinen Blendenzahl und der großen Brennweite, um seine Motive plastisch vom Hintergrund zu trennen. Die offenen Blende von 6,7 ist für Andreas Vieweg eine harte Einschränkung.“ Wenn die Rechnungen von oben stimmen, ist es, bezogen aufs Freistellen, KEINE Einschränkung! Oder man kümmerte sich nicht um die graue Theorie und machte erfolgreich seine brandaktuellen Tageszeitungsfotos.

Obwohl die Fuji/Nikons von mir schon 2010 ausgiebig gewürdigt wurden, sollte auch das zweite Museumsstück jetzt noch mal „ran“. Montiert wurde ein Objektiv, das es damals noch gar nicht gab, das 4/16-35 mm AF-S FX VR Nikkor. Damit wurden die unten gezeigten Fotos aufgenommen.

2015 mit der FUJIX Nikon E2N aufgenommen

Und noch mal 10 und mehr Jahre davor

Wie kam der Fotograf, die Fotografin an die Dateien?

Ein großer Erfolg soll den Fuji/Nikons nicht beschieden gewesen sein, wenn man im Internet etwas sucht. Zumal der Preis zu Beginn bei 31.000 Mark lag! Ich kann mich aber an einen – aus Bonner Sicht – Höhepunkte des Basketballs erinnern. Es war ein Finalspiel alte (Bonn) gegen neue (Berlin) Hauptstadt, wo ein Fotograf weniger das Spiel fotografierte, als auf Suche nach Lokal-„Prominenz“ war – mit einer Fuji/Nikon und Blitz. Möglicherweise ein BILD-Fotograf? Eine echte Herausforderung beim Einsatz dieses Digitalkamera-Sauriers war die Bildspeicherung in der Kamera, genauer die Bildübertragung in den Rechner. Die FUJIX Nikon E2N benötigte ganz bestimmte PCMCIA-Speicherkarten.

Für die es meines Wissens keine externen Kartenleser mit USB-Anschluss gab. Die verfügbaren, auf der entsprechenden Steck-Karte montierten PCMCIA-Slots müssen in einen vorhandenen PC erst nachträglich eingebaut werden und sind in aktuellen Notebooks längst verschwunden! Was in diesem Fall keine Katastrophe war, denn der Original Nikon PC Card Drive ED-10 wurde vom Vorbesitzer seinerzeit mit der EN2 gleich mitgekauft. Aber: Vor 20 Jahren war als Schnittstelle zur schnellen Datenübertragung SCSI der Standard. Bis 1999 hatte jeder Mac diese SCSI-Schnittstelle. Aber heute? Zum Glück ließ sich der Nikon PC Card Drive ED-10 per SCSI-/USB-Adapter tatsächlich unter Mac OS X betreiben! Hier noch ein paar Fotos, aufgenommen mit der DSLR aus der digitalen Steinzeit und einem gar nicht dafür vorgesehenen Superweitwinkelzoom:

Da ging der Experimentiertrieb mit mir durch ;-)

Ich konnte es 2007 einfach nicht lassen, mein erstes Exemplar des hier schon ausführlich vorgestellten 4,5-5,6/11-18 mm Tamron auf die FUJIX Nikon E2N zu montieren… Ich kann mich allerdings nicht mehr erinnern, ab wie viel Millimeter Brennweite keine Fassungsteile des Tamrons mehr in den Strahlengang der EN2 ragten und dort für Abschattungen sorgten. Gefühlt können es aber 14, 15, 16 mm Kleinbild-Ultraweitwinkelbrennweite gewesen sein.

Ralf Jannke, 2007, 2010, 2015 und Neufassung Frühsommer 2018 nach dem Umzug von Google ins Digicammuseum.de

PS.: Der erste Besitzer bezahlte 1997 für die E2N 11.441 Schweizer Franken, etwa 7200 Euro. Die 40 MB (ja, MEGABYTE!) Speicherkarte kostete unvorstellbare 1197 Fränkli, 750 Euro. Was haben wir dagegen heute für paradiesische Zustände…

Boris taxiert diese Fuji/Nikons auf einen Sammelwert von 210 Euro. Ich glaube mich zu erinnern, Größenordnung 250 Euro für die E2N bezahlt zu haben.

 

 

 

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