Nikon-Objektive in Retrostellung für Makro-Aufnahmen

Auf der Kirmes verkündet der Autoscooter-Betreiber schon gerne mal: „Jetzt fahren wir rückwärts“ ;-)

Christian Zahn hat unlängst zwei Objektiv-Spezialitäten vorgestellt, die eigentlich nicht zum Fotografieren vorgesehen waren:

Jetzt stellt Christian Zahn eine spezielle Art der Makrofotografie vor und fotografiert „rückwärts“ durch drei Nikon-Objektive. Gemeint ist die Montage von Objektiven in so genannter „Retrostellung“. Die Hinterlinse wird zur Frontlinse, die Frontlinse zur Hinterlinse.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, um kleine Dinge möglichst groß abzubilden, sie erzeugen Ergebnisse unterschiedlicher Bildqualität

Weniger bekannte und angewendete Methode. Bei der Retrostellung wird das Objektiv verkehrt herum an der Kamera montiert

Die einfachste Möglichkeit ist es, einen preiswerten Zwischenring zu montieren. Dadurch wird das Objektiv weiter von Sensor entfernt montiert, die Naheinstellgrenze sinkt je nach Länge des Zwischenringes. Statt eines Zwischenrings kann auch ein Balgengerät oder ein Zwischenring mit veränderbarem Auszug benutzt werden.

Die Abbildungseigenschaften des verwendeten „normalen“ Objektivs sind für Unendlich korrigiert, je näher fokussiert wird, desto schlechter werden die Aufnahmen, weil der genutzte und der vorgesehenenAbbildungsmaßstab stark voneinander abweichen.

Eine zweite Methode ist das Aufschrauben einer Nahlinse, die im Prinzip wie eine Lesebrille vergrößert. Einfache Nahlinsen haben deutliche chromatische Aberrationen, unvergütete erzeugen Spiegelungen, teure (immer auch vergütete) Apochromat-Nahlinsen bestehen aus zwei miteinander verklebten Linsen, sind aber erheblich teurer.

Die dritte Methode ist der Kauf eines Makro-Objektivs bzw. für stärkere Vergrößerungen der Erwerb eines Lupenobjektivs. Diese Objektive bieten die beste Bildqualität, da sie speziell für den gewünschten Einsatzzweck berechnet wurden. Allerdings ist diese Lösung sehr teuer, da Lupenobjektive nicht für normale Fotografie im Unendlichen benutzt werden können. Makro-Objektive können meist bis Unendlich fokussieren, haben dort aber meist nicht ihre beste Abbildungsleistung, da sie für den Makrobereich berechnet wurden.

Die vierte Methode ist die vermutlich am wenigsten bekannte und angewendete Methode. Bei der Retrostellung wird das Objektiv verkehrt herum an der Kamera montiert, die Hinterlinse zeigt zum Motiv, die Frontlinse zur Kamera. Autofokus-Objektive können nur manuell benutzt werden, da es keine elektrische Verbindung zur Kamera gibt; somit ist es erforderlich, daß die Blende mechanisch einstellbar ist, Objektive für Canon-SLRs und die AF-Objektive für die meisten spiegellosen Systemkameras sind somit nicht benutzbar.

Es empfiehlt sich, gute alte manuell zu fokussierende Objektive zu verwenden, da bei diesen die Blende manuell verstellt werden kann. Der Fokussierung des Objektivs hat allerdings keine Funktion, da er in der Retrostellung nur die Objektivfassung bewegt, das Objektiv aber fest mit dem Filtergewinde an der Kamera befestigt ist. Objektive mit Innenfokussierung bzw. mit Floating Elements können teilweise durch Verstellen des Fokusrings auf das Bild angepaßt werden, die Effekte können aber unvorhersehbar sein.

Retroringe gibt es für viele Kamerabajonette, sie haben auf der Objektivseite ein Filtergewinde. Bei Nikon haben z. B. viele Objektive 52mm, darum reicht es, einen Retroadapter mit 52mm zu kaufen, die wenigen Nikon-Objektive mit abweichendem Filtergewinde können dann mittels Step-Down-Ring (z. B. 52 auf 55mm) adaptiert werden.

Olympus Zuikos haben meist 49 oder 55mm, so daß ein Retroring 55mm reicht, wenn zusätzlich ein Step-Up-Adapter 55-auf-49 mitgekauft wird.

Fokussiert wird nur durch Verschieben der Kamera oder des Objekts, wie erwähnt hat der Entfernungs-Einstellring des Objektivs keine Funktion. Lediglich durch Zwischenringe kann der Vergrößerungsmaßstab geändert werden, evtl. kann ein in der Dicke verstellbarer Zwischenring zum Fokussieren benutzt werden.

Je kleiner die Objektivbrennweite, desto näher kann das Objekt an die Kamera gesetzt werden, desto größer werden Details. Bei Normalobjektiven ist die Entfernung zwischen Kamera und Objekt schon recht groß, Teleobjektive sind meist kaum sinnvoll in Retrostellung nutzbar.

Achtung: Die Frontlinse der meisten Objektive ist hartvergütet, gegen Putzkratzer also relativ unempfindlich. Die Hinterlinse wird meist nicht so behandelt, darum sollte darauf geachtet werden, das diese nicht beschädigt wird. Kratzer auf der Hinterlinse sind bei der Fotografie in Normalstellung bedeutend schlimmer als Beschädigungen der Frontlinse.

Ich habe drei manuelle Nikkore verwendet

  • eines der meistverkauftesten Weitwinkel für die Nikon F-Kameras, das Nikkor 2,8/24
  • ein preiswertes Weitwinkel Serie E 2,5/35 – siehe oben
  • ein Nikkor 1,8/50 aus der letzten schweren und großen Baureihe, bevor Nikon das Normalobjektiv zum „Pancake 1,8/50“ verkleinerte, das auf dem Serie E-Design basiert

Beispielfotos

Man erkennt deutlich, daß die Tiefenschärfe bei Offenblende winzig klein ist, Abblenden auf 8 mindestens erforderlich ist, 11 vermutlich die bessere Wahl gewesen wäre, aber bei Blende 22 bereits die Beugung deutlich „zuschlägt“ und das Bild insgesamt weicher wird. Durch die Montage eines Zwischenringes wird der effektive Blendenwert übrigens erhöht!

Außerdem ist erkennbar, wie sich je nach Objektivbrennweite der Bildausschnitt verändert.

Fazit

Das „Umdrehen“ von Objektiven ist für die Makro- und Mikrofotografie effektiv und preiswert, die Bildqualität überraschend gut. Sie ist besser, als wenn Objektive einfach per Zwischenring oder mit billigen Nahlinsen „auf Makro“ getrimmt werden. Je weitwinkliger das Objektiv, desto größer wird das Motiv abgebildet.

Christian Zahn

 

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