Meyer-Optik Görlitz Trioplan N 2,8/100 und Meyer-Optik Görlitz Primotar 3,5/135, oder: Das "Seifenblasen-/Bubble-Bokeh"
Thomas Huntke in seinem SHARPSHOOTER BLOG "Alte, analoge Objektive haben in den letzten Jahren einen enormen Beliebtheitsschub erfahren. Waren die meisten Altgläser vor zehn Jahren noch für wenig Geld auf Flohmärkten und in ebay zu bekommen, sind die Preise innerhalb von wenigen Jahren teilweise durch die Decke gegangen. Der Grund dafür ist ein bestimmtes Bokeh bei offener Blende, das moderne Objektive nicht mehr zeigen."
Mit bestimmtem Bokeh ist das so genannte "Seifenblasen-/Bubble-Bokeh"gemeint!
Diese besondere Art der Unschärfe meist hinter dem fokussierten Motiv, die sich je nach Licht und Blickwinkel in Form leuchtender Kreise oder Scheibchen zeigt. Manche sehen darin wohl Seifenblasen, daher die Bezeichnung. Und speziell Objektive, die nur aus drei Linsen aufgebaut sind, produzieren besonders viele dieser „Seifenblasen“ ;-) Nur drei Linsen sind aber keine Regel! Unter den Beispielfotos sind zwei Vierlinser, ein Fünflinser und sogar ein Neunlinser!
Und weiter Thomas Huntke: "Da sich die Mehrzahl alte Objektive auf DSLMs adaptieren lassen, ist die Nachfrage gestiegen. Eines der beliebtesten Vintage-Linsen ist das 100 mm Trioplan (Dreilinser!) von Meyer-Optik aus Görlitz. Es wurde bereits vor dem zweiten Weltkrieg auf Basis des Cooke-Triplets als Normalobjektiv für Mittelformatkameras entwickelt und ging ab den 1950er Jahren in der DDR in Massenproduktion für Kleinbildkameras. Zwischen 1951 bis 1966 wurde es in drei Versionen hergestellt, mit Anschlüssen für Exakta, M42 und Praktina."
Neben dem Meyer-Optik Görlitz Trioplan N 2,8/100 hat Thomas Huntke auch das Meyer-Optik Görlitz Primotar 3,5/135 gewürdigt.
Kosten
Ein Blick in eBay im ersten April-Drittel in die Liste "Beendete Angebote", "Verkaufte Artikel" brachte bei 36 Meyer-Optik Görlitz Trioplanen 2,8/100 einen Durchschnitt von 205 Euro pro tatsächlich verkauftem Objektiv. Eine Spannbreite von manchmal unter 100 Euro für beschädigte (verpilzte/Fungus) bis knapp 300 Euro Exemplare Die Angebote des gleichen Zeitraums starten von sehr wenigen 300 Euro Ausnahmen um 500 Euro bis in Mondpreisregionen von 7-8-900 Euro. Ein Exemplar wird gar für 1500 Euro angeboten. Den Vogel abgeschossen hat ein Nachbau in der "Titanium Limited Edition" 4800 Euro. Ist das noch freie Marktwirtschaft? Hoffen auf den Willigen, – Pardon – Dummen, der diese Summen investieren will? Bei diesen Preisvorstellungen dürfte der Großteil lange unverkauft liegenbleiben …
Mittlerweile gibt es eine flammneue Alternative zu einem vertretbaren Preis!
TTArtisan, der umtriebige chinesische Objektivbauer, bietet mittlerweile ein "100mm F2.8 Bubble Bokeh" für 155 US Dollar an. Dazu kämen natürlich noch Versandkosten. Dieses 100 mm Tele ist wie das Original Meyer Trioplan ebenfalls aus nur drei Linsen aufgebaut und erzeugt das charakteristische Bokeh.
Man muss dieses Seifenblasen-Bokeh aber schon mögen, um da zu investieren. Wobei sich der Effekt genauso schnell abnutzt, wie zu viel Fotos mit dem Fisheye. Und eins scheint einigen Käufern der teuren Originale oder völlig überteuerten Nachbauten zu spät bewusst geworden zu sein: Das sagenhafte Objektiv ist absolut kein Garant für die erhofften Fotos. Die passenden Motive fürs Seifenblasen-Bokeh müssen schon selbst gesucht, gefunden und regelrecht erarbeitet werden. Weil das allzuoft nicht klappt, werden die überteuerten Nachbauten dann frustriert zum halben Neupreis angeboten — ohne Aussicht auf Verkaufserfolg.
Seifenblasen-Bokeh des Meyer-Optik Görlitz Primotar 3.5/135
Geht Seifenblasen-Bokeh mit einem 100 mm Trioplan denn auch für weniger Geld? Ja!
Das da oben war/ist absolut ernst gemeint! Mehr darüber gleich.
Improvisation ist alles — und es funktioniert!
Die Anzeige, der Prospekt zum Original Meyer-Optik Görlitz Trioplan 2.8/100
Bereits angedeutet im Blogbeitrag: "Wir bauen uns einen Dreilinser fürs Seifenblasen-Bokeh — vielleicht".
Aus dem "vielleicht" ist Realität geworden!
Um die unrealistischen Preise fürs 100 mm Trioplan wissend, wurde zugegriffen, als ein Trioplan-Fragment für 37 Euro zu haben war. Was nichts anderes ist, als der komplette Vorderteil des entsprechenden Objektivs.
Und jetzt?
Es war klar, dass gebaut, gebastelt, improvisiert werden muss. Zunächst war nur der quasi Objektivkopf und eine M42 Makro-Schnecke vorhanden, die später für die Entfernungseinstellung sorgt. Nach wenigen Experimenten war klar: Das funktioniert. Objektivkopf und Makro-Schnecke wurden positioniert und mit starkem Gewebeklebeband fixiert und zusammengebracht. Schnell stand fest, dass mit dieser Improvisation sowohl Unendlich als auch Nahbereich möglich ist. Wobei ich nicht gemessen habe, wie nah nah ist ;-) Da ich ein anderes Konstrukt nicht auseinanderreißen wollte, wurde noch ein Satz M42-Zwischenringe geordert. verlorengeht.
Einziger Nachteil, die erste Improvisation und die folgende, verbesserte "Konstruktion" kann mangels Irisblende nicht abgeblendet werden. Was kein Verlust ist, denn der Seifenblaseneffekt beginnt gewöhnlich bereits bei Blende f/4 zurückzugehen, um bei f/5,6 komplett zu verschwinden. Wenn es unbedingt sein sollte, könnte man eine Blende erstellen, die f/4 und/oder f/5,6 entspricht und zwischen Zwischenring und Makro-Schnecke positioniert wird.
Und das war im Prinzip schon fast alles!
Nach dem selben Verfahren lässt sich auch das Objektiv eines Diaprojektors für die Fotografie nutzen! Das ja auch nicht abgeblendet werden kann. Makroschnecke, ggf. ein Zwischenring und — Schrumpfschlauch. Oder das komplette Objektiv mit Zentralverschluss und Blende (!) beispielsweise einer alten Platten- oder Balgenklappkamera vom Flohmarkt. Es gibt da Objektive, die auch wunderbar "blubbern" sollen ;-)
Die finale "Konstruktion"
Die beiden wichtigsten Zutaten …
… waren ja bereits bekannt. Der "Objektivkopf", das Fragment des Meyer-Optik Görlitz Trioplan N 2.8/100 und die M42-Makroschnecke. Das passte bereits so gut zueinander, dass sich das Ganze mit stabilem Panzerband zusammen verklebt problemlos als benutzbares Objektv einsetzen ließ. Es sollte aber noch ein bisschen stabiler, gefälliger (?) werden. An Teilen kam dann nur noch ein Satz Zwischenringe, eine Schlauchschelle, Cyanacrylat-Sekundenkleber und ein Stück 60 mm Schrumpfschlauch dazu. Vor "Endmontage" stellte sich heraus, dass nur der kürzeste 7 mm Zwischenring in Frage kam. Ich hätte lieber den etwas längeren 14 mm Zwischenring genommen, mit dem ging aber die Unendlicheinstellung des Objektivs verloren. Rausgekommen ist etwas wie „hübsch hässlich“, „sieht gar nicht mal so gut aus“ oder „das ist schon eher nichts“ Aber es hält und funktioniert!
Ziel war es das Rückteil des 2,8/100 mm Trioplan-Objektivkopfs/Fragments dauerhaft mit einem 7mm Zwischenring zu verkleben, zu verbinden. Zum Positionieren wurde eine passende Schlauchschelle montiert. In den Fotos mit den roten Flächen markiert. Die zu klebenden Kreisringflächen wurden zuvor entfettet und mit 600er Sandpapier aufgeraut. Theoretisch müsste der Sekundenkleber auf so vorbereiteten Flächen bombenfest halten. Tut es auch. Ich habe dran gezogen. Natürlich nicht mit aller Gewalt. Aber da habe ich schon alles erlebt. Tatsächlich von bombenfest bis einmal schief angesehen und abgefallen. Zum Schluss wurde es Sekundenkleber, Schlauchschelle und Schrumpfschlauch. Ein echtes Designstück ;-) Vielleicht würde die Kombination Sekundenkleber/Schrumpfschlauch auch halten und besser aussehen. Vielleicht wäre ein Zweikomponeten-Epoxykleber besser gewesen? Ich lass' es jetzt erstmal so. Ich habe bei dem Sekundenkleber nur darauf geachtet, dass er von der bekannten Marke "Pattex" kam. Ich bekomme nichts dafür ;-) Von den Cyanacrylat-Minituben aus 1-Euro-Ramschläden habe ich Abstand genommen. "Form follows Function" ;-) Damit ist der "selbstgebaute" Dreilinser einsatzbereit.
Beispielfotos auf der Nikon Z6
Früher wenig gemocht – microFourThirds. Heute nach den Vollformatern Nikon Z6 und Z7 meine Liebligskamera, wenn es um sicheres manuelles Fokussieren geht: Olympus OM-D E-M5
Die für meine schlechten Augen absolut brauchbare Manuell-Fokussierung, der stabilisierte Sensor – der Grund für die OM-D E-M5! Und 16 Megapixel sind ja wirklich brauchbar. Auf der OM-D wird das Meyer-Oprik Görlitz Trioplan 2,8/100 dann zur Kleinbid-äquivalenten 200 mm Brennweite mit einer Schärfentiefe von f/5,6. Damit kann man schon etwas anfangen!
Beispielfotos auf der Olympus OM-D E-M5
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Erst mal "ausgeblubbert" ;-)
Es ist und bleibt reine Motiv- und Geschmackssache: Für den einem mag das Seifenblasen-Bokeh nur ein furchtbar unruhiger, unschöner Hintergrund sein. Ich mag die Bubbles. Und wenn der Hintergrund ruhig sein soll, dafür gibt es genügend andere 85 bis 135 mm Alternativen. Das "Selbstbau" 100 mm Trioplan geht auf jeden Fall mit in die langen Sommerferien!
Ralf Jannke, April 2024
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Autor: | Ralf Jannke |
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Erstellt: | 8.05.2024 |
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