Canon ION RC-251 Kurzbericht von Christian Zahn

Hier stelle ich eine sehr frühe digitale Kamera vor, die die Bilder analog auf eine Video Floppy aufzeichnet. Ralf Jannke hat sie hier auch schon vorgestellt, und Boris Jakubasch zeigt sie hier.

Spezifikationen

  • Die 1988 vorgestellte Canon ION RC-251 ist 142 x 114 x 37 mm groß und wiegt ohne Akku und ohne Diskette 435 g.
  • Der 1/2“ CCD-Sensor (6,4x4,8mm) löst maximal 786 x 240 Pixel auf. Die Empfindlichkeit ist unbekannt. Bilder werden analog auf Video-Floppys gespeichert.
  • Das Objektiv ist eine 2,7/11mm (ca. 50 mm @KB) Festbrennweite, zusätzlich optionale Weitwinkel- und Telekonverter
  • Das Motiv wird über einen optischen Realbildsucher mit Dioptrienkorrektur angepeilt
  • Entfernungseinstellung entfällt, weil Fixfokus. Schieber für Makrostellung
  • Belichtungssteuerung durch Programmautomatik, Belichtungszeiten 1/30s bis 1/500 sek.
  • im Gehäuse integrierter Blitz mit ca. Leitzahl 10
  • Weißabgleich automatisch
  • keine Bildstabilisierung
  • Energieversorgung durch NiCd-Spezialakku

Besonderheiten

Die Canon ist eine Still Video Camera, d. h., sie nimmt zwei Video-Halbbilder nacheinander auf, die sie analog als PAL-Signal auf eine der 50 Spuren (= 50 Bilder) der Video Floppy Disk speichert. Auf dem Gehäuse wird explizit auf die damals noch recht neue Technik „CCD“ = Charged Coupled Device“ hingewiesen. Im Gegensatz zu den früher in Videokameras benutzten analogen Aufnahme-Bildröhren war der CCD kleiner, leichter und benötigte wesentlich weniger Strom. Zu Anfang natürlich teurer, sanken seine Herstellkosten bald deutlich unter die der Röhren, so dass sich die CCDs in Videokameras für Amateure ebenfalls durchsetzen konnten, nachdem sie in den Fernsehstudios diese schon Jahre vorher ersetzt hatten.

Wofür die Abkürzung „ION“ steht, ist mir leider nicht bekannt, die gesamte Kameralinie ab 1984 bis 1992 trug diese Abkürzung im Namen.

Die RC-251E zeichnet im westeuropäischen PAL-Verfahren auf, die ansonsten baugleiche RC-250 im amerikanischen NTSC-Verfahren.

Die Stromversorgung erfolgt mit einem speziellen NiCd-Akku. An das originale Ladegerät konnte ein Adapterkabel angeschlossen werden, dessen Ende einen Akkudummy hat, mit dem die Kamera stationär mit Dauerstrom versorgt werden kann.

Laut Anleitung reichte der Akku (8V, 200 mAh) für 800 Aufnahmen, bei länger Bildbetrachtung am Fernseher natürlich erheblich weniger.

Das Objektiv hat eine feste Brennweite, die in etwa einem Normalobjektiv entspricht, sowie einen Fixfokus, also eine fest eingestellte Entfernung. Für Makro-Aufnahmen kann das Objektiv durch einen Schieber ein wenig verstellt werden. Als einzige Belichtungs-Beeinflussung gibt es eine Gegenlichttaste.

Für die Brennweitenänderung gab es Konverter, für den Outdoor-Einsatz ein riesiges staub- und spritzwasserdichtes Zusatzgehäuse.

Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut. Die Blitzbelichtungsmessung erfolgt vermutlich mit der externen Meßzelle.

Vor Objektiv, Weißabgleich-Sensor und Belichtungsmeßzelle sitzt eine vergütete Planglasscheibe, um diese Teile zu schützen.

Der Sucher hat eine Dioptrienkorrektor, er deckt lediglich 84% des Bildfeldes ab, d. h., auf dem Bild ist mehr drauf als man im Sucher sah, um „abgeschnitte Köpfe“ aufgrund der Parallaxe zwischen Sucher und Objektiv zu vermeiden.

Die Bilder können an der Kamera nicht direkt betrachtet werden, erst nach Anschluß an einen Fernseher sieht man, was man aufgenommen hat. Mit Hilfe einer PAL-Digitiser-Karte konnten die analogen Standbilder damals wieder digitalisiert werden, um sie am Computer nutzen zu können.

Bei der Bildwiedergabe dient übrigens die Aufnahmetaste als Löschtaste!

Obwohl uns heutzutage die Auflösung der Kamera geradezu lächerlich vorkommt, war es damals eine teure Profikamera, die es z. B. Tageszeitungen ermöglichte, schnell und ohne zeitraubende Filmentwicklung an aktuelle Bilder zu kommen, um einen Lokalbericht zu bebildern. Im grobgerasterten Zeitungsdruck damals reichten die Bilder locker für 7x5 cm aus, das genügte für Vieles. Und im Gegensatz zum analogen Film fielen nach der Anschaffung von Kamera und Zubehör nur noch geringe Verbrauchskosten an, weder mußten die Filme und die Chemikalien gekauft und anschließend entsorgt werden, noch mußte ein Laborant die Filme entwickeln und ein Bildredakteur die Negative anschließend umständlich Einscannen (die uns heute vertrauten Film- bzw. Flachbettscanner gab es noch nicht!). Die Video-Digitalisierung dauerte nur Sekunden pro Bild.

Das Hauptproblem aller ION-Kameras ist ein Teil der Verstellung für den Schreib-/Lesekopf des eingebauten Diskettenlaufwerks

Das auf den Antriebsmotor aufgepreßte Kunststoffritzel bekommt irgendwann einen Riß, der Motor dreht dann frei und kann den Kopf nicht bewegen. Eine Reparaturanleitung für feinmechanisch Geschickte findet sich auf dieser Website, allerdings für ein anderes Modell der ION-Serie.

In eigener Sache: Canon ION Daten-Rettungsaktion (Ralf Jannke)

Ist auf Canon ION Videofloppies der ersten Hälfte der 1990er Jahre noch etwas zu finden, zu retten? Dieser Hilferuf erreichte das digicammuseum.de in den August-Tagen von 2016.

An moderner Technik interessierte Menschen haben vor 20 Jahren begonnen, neben technischen Dokumentationen damit auch die eigene Umgebung, Familienfeste und Urlaubserinnerungen festzuhalten. Problem anno 2016: 8 bis 9 von 10 ION-Kameras waren hinüber und konnten noch nicht mal mehr zum Abspielen der uralten Aufnahmen auf dem heimischen Fernseher benutzt werden. Sofern die Video-Disketten ihre Bilder nicht "vergessen" haben...

Zurück zu den Video-Disketten und der Bitte, ob noch was zu finden und wieder herzustellen sei. Ja, es war noch was zu finden! Die Erfolgsquote lag aber nur bei knapp 55 Prozent. Auf die versandten 8 Video-Floppies hätten 8 x 50 = 400 Aufnahmen gepasst. Gelesen und digitalisiert werden konnten 219 ION-Fotos, die dem Hilfesuchenden dann unkomprimiert als TIF und komprimiert als JPEG auf CD zugingen.

ABER

Gelegentlich erreichen das digicammuseum.de erneute Anfragen hinsichtlich ähnlicher Rettungsaktionen wie oben beschrieben. Neben dem Problem, dass mittlerweile nicht wie 2016 90 Prozent aller Canon IONs defekt sind, sondern 2021 vermutlich eher 99 von 100 Exemplaren nicht mehr laufen, gesellt sich dazu der Einsatz von Uralthardware (Windows 98 PC) und – ZEIT. Viel Zeit!

Legen wir den gesetzlichen Mindestlohn zu Grunde, der erst 2022 10,45 Euro brutto pro Stunde erreicht, und dann die Stunden, die beim Rettungsversuch der uralten Video Floppydisks mit noch nicht mal garantierbarem Ergebnis draufgehen, lässt sich schnell rechnen, was da bis zu zwei Tage kosten würden.

Deshalb: Der Zeitpunkt für Rettungsaktionen ist leider vorbei.

Beispielfotos – gibt es nicht

Ein Beispielbild mit der Kamera kann ich nicht zeigen, da ich keinen Akku und keine Video Disk habe. Im Bericht von Ralf Jannke finden sich einige Bildbeispiele einer ähnlichen ION.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der ION RC-251 ist vollständig aus Kunststoff. Trotz des hohen Preises sind lediglich das Stativgewinde sowie einige innere Teile aus Metall. In einigen Ländern gab es eine weiße Gehäuse-Variante. In anderen Ländern war die Kamera unter anderen Namen erhältlich, in Amerika hieß sie Xapshot statt ION, in Japan wurde sie als Q-Pic verkauft.

Die UVP der ION RC-251 betrug ca. 1800 DM (umgerechnet ca, 900 Euro). Damals bekam man für dieses Geld eine Profi-SLR (1992 kostete z. B. die Nikon F90 ca. 2000 DM). Ich bekam das gezeigte Exemplar im Frühjahr 2021 vom Betreiber dieser Website geschenkt.

in Urteil über die Bildqualität gebe ich nicht ab, die Bilder sind aus heutiger Sicht nicht besonders gut. Eben wie ein Standbild einer Videokamera von 1988…

Fazit: eine digitalkamerahistorisch sehr interessante Kamera (weil sehr frühe Digitaltechnik), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen nicht mehr geeignet, da jedes Smartphone erheblich bessere Aufnahmen macht.

Christian Zahn, Frühjahr 2021

Museum für alte Kameras sowie Fotogalerie:
http://www.ChrZahn.de
Dort auch Tipps zum Entwickeln von Farb- und SW-Dias

 

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