MINOLTA ROKKOR-TC 1:4 f=135 mm

Wie hatte ich im Blogbeitrag „Wie geht’s weiter?“ geschrieben: "Mich zieht es neben Abbildungsqualität auch ganz klar in die Spielecke, das Unperfekte, ja Fehlerhafte. Objektive mit besten Abbildungseigenschaften sind mehr als reichlich vorhanden, aber die mit "Charakter" — ich erwähne nur Begriffe wie "Seifenblasen"/"Bubble"- oder "Swirl(y)"-/"Verwirbel"-Bokeh — sind mein Ding."

Und was erwartbaren Charakter angeht, ist ein schöner Fisch ins Netz gegangen!

Die Rede ist vom dreilinsigen MINOLTA ROKKOR-TC 1:4 f=135 mm von 1961. Also aus den ersten Tagen der japanischen Spiegelreflexkamerageschichte. Mit der SR-2 hatte Minolta 1958 noch vor der legendären Nikon F (1959) ihren Auftritt!

Es gab von Nikon übrigens ein vergleichbares Tele allerdings etwas kürzerer Brennweite, das Nippon Kogaku Japan NIKKOR-T 1:4 f=10,5 cm von 1960. Für die Nikon Messsucherkamerareihe und die 1959 vorgestellte Nikon F. Ebenfalls aus nur drei Linsen aufgebaut. Was allerdings äußerst selten auftaucht und dann zu entsprechenden Kosten. Aktuell gibt es bei eBay zwei Exemplare für 490 (F-Bajonett) und 1199 Euro (Nikon Rangefinder-Bajonett) Das MINOLTA ROKKOR-TC 1:4 f=135 mm wird für Größenordnung 80 Euro offeriert. Die Gegenlichtblende ist für rund 40 Euro in Australien zu haben … Da war mein Exemplar für 26 Euro inkl. Versand glatt ein Schnäppchen ;-)

Artaphot.ch schreibt zum MINOLTA ROKKOR-TC 1:4 f=135 mm: "Das Minolta 4/135 mm von 1961 ist eine klassische Triplett-Konstruktion, die aber bereits hochbrechende Gläser enthält und die deshalb eine durchaus befriedigende Abbildungsleistung zeigt. Sie reicht allerdings nicht ganz an die Zeiss'schen Sonnare mit denselben Eckdaten heran. Das 4/135 mm ist kein Tele-Objektiv, sondern ein langbrennweitiges "Normal"-Objektiv; es hat weder eine Springblende noch eine eingebaute Sonnenblende. Erwähnenswert ist die Vorwahl-Blende dennoch, denn sie ist aus sage und schreibe zwölf Elementen zusammengesetzt; damit ist auch stark abgeblendet eine praktisch kreisrunde Form gewährleistet, und das Bokeh ist entsprechend schön.

Am 24 MP Vollformat charakterisieren zwei Beobachtungen das Minolta Rokkor 4/135 mm:

  • Erstens hat das Objektiv eine beträchtliche Bildfeldwölbung, so dass die Bildecken erst bei f11 wirklich scharf werden
  • Zweitens - und für mich wirklich überraschend! - ist die Optik praktisch auf dem Level eines APO-Objektivs, was die Farbfehler angeht: Keine Farbsäume (eher weniger als das Minolta AF APO 2.8/200 mm) und diesbezüglich bei f11 weit besser als das vielgerühmte vierlinsige MC/MD 2.8/135 mm!

Vergleich und Test des 135ers an spiegellosen 16MP APS-C Kameras

Soweit Artaphot

MINOLTA ROKKOR-TC 1:4 f=135 mm auf der 16 MP microFourThirds Olympus OM-D E-M1, 10 bis 13 Megapixel Crops

Ohne Grundqualität nicht machbar! Ausschnitt per Topaz Gigapixel AI und Topaz Sharpen AI auf ca. 8 Megapixel vergrößert und geschärft

Der eigentlich einzige Nachteil – egal auf welcher spiegellosen Systemkamera – die große Nahdistanz von 1,5 m. Bei der Olympus etwas durch die scheinbare Verlängerung auf 35mm-/KB-äquivalente 270 mm Telebrennweite abgemildert. Gut dass die OM-D E-M1 einen stabilisierten Bildsensor hat, der Bilder aus der Hand ermöglicht! Und ja: Der 13 x 17 mm kleine microFourThirds-Sensor blendet eventuell unscharfe, vignettierte, verzeichnete Randbereiche des Objektv aus. Dafür fordert der 16 MP-Sensor aber mit einer Pixeldichte, die einem 62 Megapixel Vollformat-Sensor entspricht!

MINOLTA ROKKOR-TC 1:4 f=135 mm auf der 16 MP Halbformat Fui X-E1, 3600 x 2400 MP, Offenblende (links) f/8 (rechts)

Fotografiert aus Nahdistanz, 1,5 m. ISO 200 vom Stativ mit Selbstauslöser 10 s Vorlauf. Sehr angenehmes Bokeh!

Zum Rundgang OHNE Stativ bin ich dann doch zur ebenfalls 16 MP auflösenden Fuji X-T10 gewechselt, weil die X-T10 zur manuellen Fokussierung mit verstärktem Fokus-Peaking (Kantenanhebung) die für mich deutlich besser erkennbare Farbe Rot bietet.

Beispielfotos Fuji X-T10, 16 Megapixel

Ohne Objektiv-Qualität nicht möglich! 1.619 x 1.619 Pixel Ausschnitt per Topaz Gigapixel AI auf 6.476 x 6.476 Bildpunkte = 42 Megapixel hochskaliert!

3.600 x 2.400 Bildpunkte = 8,6 MP

Und zum Finale der Wechsel ins Vollformat der 24 MP Nikon Z6

Geht das mit rechten Dingen zu?

Mein geziegeltes Standard Institutsgebäude der Universität Bonn musste mal wieder als Testmotiv herhalten. Die beiden Fotos sind nicht deckungsgleich, da ich keine Lust hatte, ein Stativ mitzunehmen. Das linke Foto wurde mit Offenblnde f/4, das rechte mit f/8 aufgenommen. Wie kann es sein, dass ein über 60 Jahre altes, aus nur drei Linsen bestehendes 135 mm Tele-Objektivso gut abbildet? 

Ausschnitte aus der Ziegelwand: Erste Reihe Bildecke links unten f/4 und f/8, zweite Reihe Bildecke rechts oben f/4 und f/8

Hmmmm …

Im Olympus E-1 Kurzbericht hatte Christian unter "Digitale automatische Bildkorrekturen und ihre Probleme" geschrieben:

Insbesondere bei Weitwinkel- und preiswerten Einsteiger-Setzooms sind die Sensor-Bilder mehr oder weniger deutlich verzerrt (im Weitwinkel meist „tonnenförmig“, im Telebereich oft „kissenförmig“). Außerdem sind die Bildecken bei Offenblende dunkler als die Bildmitte (das Objektiv „vignettiert“) und farbige Lichtstrahlen treffen nicht auf einen gemeinsamen Punkt auf dem Sensor, sondern versetzt (das Objektiv hat „chromatische Aberrationen“).

Alle diese Bildfehler meldet das Objektiv an die Kamera, im Spiegelreflexsucher der E-1 kann man zwar die „Beulen“ der Objektivverzeichnung sehen, aber die aufgenommenen Bilder sind geradegerechnet.

Diese „Schönrechnerei“ der Restfehler der Objektive machen heutzutage alle spiegellosen Systemkameras und Kompakt- sowie Bridgekameras mit fest angebautem Objektiv, bei allen spiegellosen Kamerasystemen Systemen (Sony NEX/alpha, mFT, Nikon Z, Canon R/M, Pentax Q, Samsung, usw.) gehören die Objektivfehler-Parameter zum übertragenen Parametersatz in jeder Aufnahme. Die Kamerahersteller gehen sogar noch weiter! Weitwinkel-Objektive mit Verzeichnung von mehr als 5% im Weitwinkelbereich und Vignettierung von weit mehr als einer Blende sind preiswerter herzustellen und die Fehler werden schon im elektronischen Sucher-Livebild weggerechnet, so daß der Fotograf diese „Schummelei“ gar nicht mitbekommt. Nur wer einen freien Konverter wie beispielsweise Darktable benutzt, kann die Objektivkorrektur abschalten und sieht dann, wie schlecht das Objektiv eigentlich ist.

Und was hat das jetzt mit dem braven MINOLTA ROKOR-TC 1:4 f=135mm zu tun?

Ich hatte mir die Frage gestellt, wie es möglich sein kann, dass ein aus nur drei Linsen aufgebautes, eigentlich primitives 135 mm Tele nach über 6 Jahrzehnten so eine Leistung bringt! Trotz unproblematischer 135 mm Brennweite müsste das Tele bei Offenblende doch wenigstens etwas vignettieren, eine gewisse Randunschärfe haben – die hat es übrigens – und (kissenförmige) Verzeichnung aufweisen. 

Da keinerlei Datenverbindung zwischen Kamera und Objektiv existiert, kein Chip im Rokkor von 1961 steckt, kann eine Optimierung in der Z6 doch eigentlich gar nicht möglich sein! Und doch hatte ich leise Zweifel, dass der Nikon Z6 Bordcomputer "irgendwie" aus Belichtungsdaten und Schärfeverlauf auf die Brennweite, den Objektivtyp schließt, um dann nach Gutdünken zu optimieren. Tatsächlich kann man einer Z6-internen Datenbank diverse Objektive abgelegen. Für den Rundgang mit dem 135er hatte ich 20 mm Superweitwinkel mit Lichtstärke f/4 hinterlegt. Ganz einfach weil ich nicht darauf geachtet hatte …

Aber selbst diese versehentlich falsche Brennweitenwahl taucht in Darktable nicht auf. Es wird einfach korrekt gemeldet: "Nikon Z6, Manual Lens No CPU". Die rote Markierung im Darktable-Screenshot.

Der Rest vom Rundgang mit 3.600 x 2.400 Pixel

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Unglaublich, was 2023 mit einem 62 Jahre alten, dreilinsigen 135 mm Ojektiv geht. Für das wunderbare Minolta Tele-Rokkor habe ich unverzüglich noch eine Gegenlichtblende geordert. Bei ein paar Fotos erschien mir die Verwendung einer Streulichtblende sinnvoll.

Dieses uralte Objektiv zeigt für mich eindrucksvoll, was von der aktuellen Fotoindustrie zu halten ist. Von mir aus kann sie die Schlagzahl noch weiter erhöhen und gefühlt drei neue Objektive pro Woche vorstellen. Ich bin gespannt, wer diese Menge Linsen bei der Riesen-Armada an Smartphone-Knipsern eigentlich kaufen soll …

Wo Autofokus nicht nur sinnvoll, sondern zwingend notwendig ist, habe ich die entsprechenden Objektive. Aber für Rundgänge mit Muße? Da investiere ich keinen Cent in die ständigen Neuerscheinungen … Im Keller steht kein Dukaten-Esel ;-)

Ralf Jannke, April 2023

 

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben