„Soligor?“ lautete die Überschrift zum Praxisbericht
Einfach aus Neugier, um nicht nur etwas mehr über das für 5 Euro vom Flohmarkt mitgenommene 1:1.8 f=85mm Soligor, sondern auch den Anbieter zu erfahren. Der zumindest hier in Deutschland sicher nicht den Ruf hatte ein Premium-Anbieter zu sein. Die Vergangenheitsform ist korrekt gewählt, denn 2011 meldete Soligor Insolvenz an.
Soligor war nie echter, alleiniger Hersteller sondern ein Handelsunternehmen, Anbieter, Vertreiber. Soligor hat bei allen möglichen Herstellern eingekauft, auch bei nicht mehr am Markt befindlichen Produzenten wie Kiron, Spiratone und sicher noch anderen. Das hier vorgestellte 1,8/85 mm Soligor gab es baugleich unter anderem als 1,8/85 mm Vivitar. Auch nicht von Vivitar gebaut, sondern wahrscheinlich von Sun Optical Co., Ltd. im Auftrag gefertigt. Mehr dazu weiter untern.
Die deutsche Wikipediaseite ist zur Soligor-Geschichte ziemlich „dünn“
Viel interessanter und ausführlicher geht die englischsprachige Seite Allied Impex auf die Geschichte ein! Olypedia.de schreibt: "Soligor war ursprünglich die Marke von Allied Impex Corporation, New York (AIC), (…) gegründet vom deutschen Auswanderer Silbermann in New York." Tatsächlich waren es die Brüder Ben und Victor Silbermann sowie Bruno Multer und Ralph Löwenstein. Vier Deutsche jüdischen Glaubens, die vor den Nationalsozialisten nach Amerika flohen.
AIC Photo war Importeur, Grosshändler und teilweise Hersteller von Fotogerät. Kameras, Objektive und Zubehör wurden aus Japan importiert und unter dem Namen Soligor vertrieben. Soligor soll sich möglicherweise vom deutschen Begriff "SOLI(DE)" ableiten. Das "(G)OR" als typische Endung für eine Objektivbezeichnung: Leitz Hekt(or), Nikk(or), Rokk(or), Pana(gor) … In den 1960er Jahren.
Es war tatsächlich nicht einfach, Informationen über das im Zeitraum 1970 +/- 5 Jahre produzierte, lichtstarke 1,8/85 mm Soligor Tele zu finden. Dazu nochmal der Text aus dem ersten Praxisbericht: "Auftragsfertigung gibt es ja nicht erst seit Digitalkamerazeiten, die gibt es seit den 1960er Jahren. Also gibt es das vermutlich zwischen Mitte der 1960er und 1970er Jahre produzierte Soligor unter anderem auch als 1,8/85 mm Marexar, Vivitar/Tokina 1,8/85 mm und trotz minimal anderer Lichtstärke als SUPER COLIGON 1:1,9 f=85 mm.
Die bekannten technischen Daten der 85 mm Soligors und deren Geschwister
- Anschluß: T2 (Adapter)
- Das Objektiv (als SUPER COLIGON 1:1.9 f=85mm) ist aus 7 Linsen in zwei bis drei Gruppen aufgebaut und soll einem Pentax Takumar entsprechen
- Blende: Kreisrunde Vorwahlblende mit 16 Lamellen, die sich stufenlos von Blende 1.8 bis 22 einstellen lässt. Der Vorwahlring rastet bei vollen Blendenstufen.
- Fokusbereich: 1 m - 20 m - Unendlich
- Filterduchmesser: 58 mm
- Gewicht: 520 Gramm
- Länge: Unendlich 98 mm, Nahgrenze: 110 mm
- Durchmesser: 61 mm
Zum Objektiv gehört eine kurze Schraub-Streulichblende
Wirklich gebaut haben soll das 85er die japanische Sun Optical Co. Ltd.
Alleine drei dicht beieinanderliegende Tele-Zooms:
- 80-240 mm
- 85-210 mm
- 110-180 mm
Und das dürften längst nicht alle Telezooms sein, die in den gezeigten Produktionsjahren oder besser Zeiträumen gerechnet und prodzuziert wurden! In diese Brennweitenreihe passt auch perfekt das Tamron 6,3/95-205 mm von 1961!
Soligor- und andere Piraten ;-)
Während in Deutschland Objektive unabhängiger Anbieter/Hersteller zumindest in den 1970er bis 1990er Jahren bevorzugt als "Fremdobjektive" betitelt wurden, wählten die Schweden den passenderen Begriff "Piraten". Der Bezeichnung "Fremdobjektiv" haftete sicher nicht ungewollt ein Hauch Zweitklassigkeit, ja Minderwertigkeit an. Bei einigen fremd gebauten Objektiven auch zu Recht. Die schwedische Bezeichnung „Piraten“ für die unabhängigen Objektiv-Hersteller wirkte dagegen frecher, provozierender. Die "Fremdhersteller" segelten Piraten-gleich im großen Canon-Minolta-Nikon-Pentax Meer. Um nur die in den 1960ern/70ern/80ern wichtigsten Kamerahersteller zu nennen. OK, nehmen wir noch Olympus und Yashica dazu — ohne Anspruch auf Vollständigkeit!
Auf der Suche nach Soligor-Anzeigen fiel auf, dass nicht nur Soligor in meinem schwedischen Magazin-Archiv erst ab der ersten Hälfte der 1960er Jahre in Form von Annoncen auftauchen. OK, der Startschuss für "richtige" japanische Spiegelreflexkameras war ja auch erst 1958 mit der Minolta SR-2 und 1959 mit der Canonflex und der Nikon F, von denen nur die Nikon F zu Weltrum kam. Mitte der 1960er Jahre versuchten die "Piraten" auf Beutejagd zu gehen. Aus dieser Zeit bis ca. 1975 stammen auch die hier reproduzierten Annoncen.
Letztlich sind im 6er-Pack Soligor-Anzeigen Objektive abgebildet, die mich NICHT interessieren. Aus dieser Reihe habe ich auch nur ein 35mm Weitwinkel mit Olympus OM-Bajonett. Und Miranda? Für 10 Euro habe ich den funktionierenden Body von einer Fotobörse mitgenommen. Als Fan unbekannterer japanischer Hersteller. Festgehalten in "1955 bis 1976/78: Kleine Miranda Geschichte".
Jetzt aber: Soligor 1:1.8 f=85mm
Dieses Objektiv und weitere aus der ganz frühen Geschichte der Fremd- Pardon unabhängigen Hersteller/"Piraten" interessieren mich!
Im Gegensatz zum SOLIGOR finden sich zum baugleichen 1,8/85 mm Vivitar gleich diese beiden Informationsquellen:
Irgendwo war im Internet zum lichtstarken 85er zu lesen: Bei offener Blende bildet es sehr weich ab mit einer Neigung zu CA's. Ab Blende 2.8 wird es brauchbar, ab Blende 4 gut scharf. OK, virtuelles Papier ist geduldig... Abgesehen davon, wozu kaufe ich dann ein hochlichtstarkes 85er?
Und Blende f/4 und mehr wird schon fast "langweilig" für ein lichtstarkes Porträt-Tele. Denn dann kann ich gleich beim Zoom bleiben, das 85 mm Brennweite beinhaltet. Das 1,8/85 mm Soligor ist neben dem ultralichtstarken 1,2/55 mm MF Nikkor und dem hochlichtstarken 1,4/35 mm MF Nikkor die dritte Brennweite, wo Motive mit Offenblende je nach Lichtstärke bis maximal auf f/2-2,8 abgeblendet gefunden und erarbeitet werden müssen. Eine Herausforderung.
Bei der Gelegenheit und sicher nicht nur für 50 mm sondern auch für 35, 85 mm Objektive zutreffend: "Why are modern 50mm lenses so damned complicated?" — "Warum sind moderne 50 mm Objektive so verdammt kompliziert?"
Ein interessanter Beitrag von dpreview.com, der mich dennoch völlig kalt lässt! Besonders, wenn man dann mal in eBay nachschaut, was an vergleichbaren, derartigen "Wunderobjektiven" angeboten wird. Es hinterlässt bei mir den Eindruck, dass zumindest einige dieser Abmessungs-, Gewichts-, Prestige- und Preismonster den Käufern gnadenlos vor Augen führ(t)en, dass der Einsatz der sicher perfekt neu gerechneten Objektive nicht automatisch zu besseren Fotos mit Aussage führt.
Und wen stört der von Christian Zahn in seinem Erfahrungsbericht "Olympus Zuiko 3,5/28 und 1,8/50mm an Nikon Z5" ausführlich beschriebenen "Corner Smearing" — etwa "verschmierte Bildecken" Effekt besonders bei Weitwinkelobjektiven in den äußersten Formatecken wirklich?
Ein Spitzenfoto wird durch eine kleine Unschärfe in den äußersten, „verschmierten“ Bildecken nicht dramatisch schlechter und umgekehrt ein Foto-Langweiler kein bisschen besser, nur weil die Ecken knackscharf sind …
Daher auch mein Festhalten an den alten Schätzen! So wie hier.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Keine Schwächen?
Doch, eine. Zumindest mit dem T2-Adapter kommt das 1,8/85 mm Soligor erst bei Blende f/5,6 annähernd auf Unendlich. Die Blende schließt man besser noch weiter auf f/11! Für meinen Verwendungszweck ist das aber unerheblich, wie es die Fotos hoffentlich zeigen. Je dichter ich zum Motiv bin, je offener die Blende desto besser die Freistellung. Und dazu die gewisse Weichheit, der Schmelz dieses uralten "Soligors". Beim einen oder anderen Foto ist sogar ein bisschen Swirl-Bokeh erkennbar. Für mich sehr schön! Wer immer es denn das Soligor wirklich gebaut hat. Wahrscheinlich Sun – siehe oben.
Das war nur der Startschuss für eine — aus meiner Sicht — ganz bestimmte Vintage-Objektivklasse
Damit meine ich nicht die spannenden Messsucherkameraobjektive, mit denen ich mittlerweile gut versorgt bin. 35 bis 135 mm sind/waren die typischen Rangefinderbrennweiten. Es mag Leute geben, die widersprechen, aber mehr als 135 mm wurden auf der Leica M unsinnig. Und unter 35 mm wurde und ist es im Messsucherbereich teuer. Zum nur Ausprobieren und Spielen viel zu teuer. Von daher ist dieser Bereich für mich abgehakt. Immer wieder spannend und überraschend sind für mich bestimmte Objektive ganz früher ostdeutscher und russischer Produktion für Spiegelreflexkameras.
Und die Original-Hersteller?
CaMiNikOlyPentax & Co. — langweilig. Von kleinen Schwächen abgesehen, liefern diese Objektive auch Jahrzehnte nach Produktionsstart auf der hochauflösenden Vollformat-Systemkamera immer noch Leistung. Wenn es aufs Motiv ankommt und nicht auf die äußerste, oft unwichtige Bildecke … Nach einem besonderen Abbildungscharakter sucht man bei den "Originalen" meist vergeblich.
Manuell zu fokussierende Fremdobjektive, "Piraten" ab den 1975er Jahren finde ich überwiegend langweilig. Wobei es Ausnahmen gibt, wie das großartige Vivitar Serie 1 2,8/35-85 mm. Diese Zooms aus "Beifängen" habe ich eher lustlos „abgehakt“: Tokina RMC 35-135mm 1:4-4.5, Tokina SD 35-200mm 1:4-5.6 und ein 3,8-5,6/28-200 mm Tamron. OK, alle nur im kleinen 15 x 23 mm APS-C Sensorformat ausprobiert. Aber ich habe kein Verlangen, diese Objektive auf die Vollformat DSLM zu adaptieren.
Richtig spannend finde ich dagegen die ganz frühen Festbrennweiten
Unter anderem das hier vorgestellte Soligor 1,8/85 mm und die beiden schon ausprobierten Weitwinkel Tokyo Koki W. TOKINA 1:3 f=28mm und Tokina WIDE-AUTO 1:2.8 f=35mm beide ebenfalls auf der spiegellosen 24 MP Vollformat Nikon Z6.
Dazu kommen jetzt weitere interessante Festbrennweiten aus dem Telebereich und zwei ganz lange Telezooms. Einige dieser Objektive verschiedener Hersteller bestätigen, dass es trotz unterschiedlicher Brennweiten von der Machart alles Auftragsfertigungen eines (einzigen?) OEM-Objektivbauers sind, der ganz nach Wunsch gelabelt hat. Das wird hier ein eigener Bericht über mehr interessantes "Altglas". Zweite Julihäfte geht geht es richtig los!
Ralf Jannke
Neuen Kommentar schreiben
Autor: | Ralf Jannke |
Mail senden | |
Erstellt: | 12.03.2022 |
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!