Der Kanon der Digitalkameras

Vorschlag von Boris Jakubaschk

Hier kommt nun also meine Antwort auf die Frage "Wenn Deine Sammlung nur noch aus zehn Kameras bestehen dürfte - welche würden das sein?".

Die Idee hinter meiner Zusammenstellung ist, dass ich mit zehn Exponaten die wichtigsten Entwicklungen der Digitalkamerageschichte nacherzählen möchte. Daher sind die zehn Modelle auch chronologisch angeordnet, das zuerst erschienene zuerst.

Ursprünglich hatte ich auf meiner Liste noch wesentlich mehr Kameras, für die es ebenfalls gute Gründe für die Aufnahme in die Top Ten gegeben hätte. Ich habe diese einfach unten angehängt, allerdings diesmal in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit - die am knappsten an der Top Ten vorbeigeschrammt ist, steht also ganz oben.

Jetzt aber los:

Dycam Model 1 / Logitech Fotoman (1990/91)

Die Dycam Model 1 und ihr europäischer Ableger Logitech Fotoman stehen für den Beginn der Digitalfotografie und dürfen daher in dieser Liste nicht fehlen. Man sieht den Kameras deutlich an, dass sie ihrer Zeit und auch der technischen Entwicklung ein gutes Stück voraus waren – fest eingabaute Akkus, die nach einem Tag leer sind und dann die Bilder im Speicher verschwinden lassen. Schleichend langsame Übertragung zum PC. Keine Einstellmöglichkeiten und keinerlei Display. Hinzu kommt die ungenügende Kapazität des eingebauten Speichers. Eigentlich ein ziemlich nutzloses Utensil – aber ein absoluter Meilenstein der Entwicklung. (zur Beschreibung)

Casio QV-10 (1995)

Klein, schlank und bis heute elegant sieht sie aus, die erste Digitalkamera von Casio. Dazu die clevere Idee mit dem verdrehbaren Objektiv für Selfies (die damals noch gar nicht erfunden waren). Auch der Bildschirm war ein Novum – endlich konnte man die Bilder sofort anschauen und musste nicht auf die abendliche Übertragung auf den PC warten. Dass das Fotografieren mit halbleeren Batterien für die Kamera lebensgefährlich war und die Bildqualität zum Davonlaufen – geschenkt. Die QV-10 ist der Prototyp aller Kompakt-Digiknipsen und damit ein verdientes Mitglied dieser Liste. (zur Beschreibung)

Polaroid PDC 2000 (1996)

Was ihre Qualitäten als Kamera angeht, kann man sicherlich diskutieren. Völlig unbestreitbar ist jedoch, dass die PDC 2000 das wohl abgefahrenste Design in der an gestalterischer Extravaganz sicher nicht armen Digitalkamerageschichte mitbringt. Massiv wie aus Gusseisen, technisch zumindest sehr eigenwillig und mit einem Konzept ausgestattet, das exakt ins Niemandsland zwischen gehobenem Amateur und anspruchsvollem Profi zielt, war die Kamera schon zu ihrer Zeit ein Exot und bekommt in der Kategorie „grandios gescheitert“ einen Ehrenplatz in der Liste. (zur Beschreibung)

Kodak DCS 200 / 410, DCS 100 (1993 / 1996 / 1991)

Eigentlich gebührt dieser Platz auf der Liste ohne Frage der DCS 100, der ersten digitalen Spiegelreflexkamera auf dem Markt. Für Sammler ist dieses Stück allerdings nur mit viel Glück zu finden und dürfte in vielen Fällen auch nicht mehr betriebsbereit sein. In abgeschwächter Form gilt das auch für die DCS 200. Historisch ähnlich interessant und viel preiswerter ist die DCS 410 und ihre zahlreichen Verwandten. Sie alle stehen für die Kombination aus einem fast unveränderten analogen Spiegelreflex-Body von Nikon mit einer digitalen Kamerarückwand von Kodak. In diesem Fall muss man gerade einmal eine Schraube lösen und einen Stecker abziehen, und schon sind die beiden Teile getrennt. (zur Beschreibung)

Olympus Camedia C-800L (1996)

War die QV-10 der Vorreiter in Sachen Design bei Kompaktkameras, so bewies Olympus mit der C-800L, dass man auch eine brauchbare Bildqualität zu einem endkundenfreundlichen Preis hinbekommen kann. Dafür wirkt das Design aus heutiger Sicht doch sehr in die Jahre gekommen und ist noch sehr an den zerklüfteten Plastiklandschaften angelehnt, die man in den 80er und 90er Jahren bei analogen Kompaktkameras offenbar attraktiv fand. Für Olympus war die C-800L der Beginn einer einige Jahre andauernden Hochphase. (zur Beschreibung)

Sony MVC-FD7 (1997)

Auch wenn sich das Konzept dieser Kamera im Laufe der Jahre als ziemliche Schnapsidee herausgestellt hat, kommt man an den Digital Mavicas von Sony nicht vorbei. Dazu waren sie in den frühen Jahren der Digitalfotografie zu verbreitet und auch beliebt. Anfangs war es ja auch bestechend: Während die meisten Kamerabesitzer stundenlang mit Kabeln und störrischen Treibern herumhantierten, entnahm der Sony-Besitzer einfach die frisch mit Bildern bespielte Diskette seiner Kamera und steckte sie in das ohnehin in jedem PC vorhandene Laufwerk. Bald zeigte sich aber, dass die Tage des Diskettenlaufwerks gezählt waren und bei wachsenden Auflösungen schaffte es Sony in den folgenden Kameragenerationen nur noch mit Tricks, mehr als eine Handvoll Bilder auf einer Diskette unterzubringen. (zur Beschreibung)

Olympus Camedia C-1400L (1997)

Und schon wieder Olympus. Dieses retro-futuristisch gestaltete Gebilde beheimatet eine echte Spiegelreflexkamera. Außerdem steckte der (für eine Consumerkamera) auflösungsstärkste Sensor seiner Zeit darin und ein ausgezeichnetes Dreifach-Zoom-Objektiv. Ausgestattet mit einem aus heutiger Sicht zwar hohen, im Vergleich mit anderen Spiegelreflexmodellen aber lächerlich geringen Preis, wurde die C-1400L schnell zur Traumkamera vieler Hobbyfotografen. Und sie blieb das vielfach auch dann noch, als ihre technischen Fähigkeiten lange als überholt galten. Der einzige Haken an der Sache war das nicht austauschbare Objektiv. (zur Beschreibung)

Nikon D1 (1999)

So richtig in Fahrt kam die digitale Spiegelreflexfotografie einige Jahre lang nicht. Jene Hersteller, die Kameras bauen konnten, waren noch zu sehr der analogen Welt verhaftet. Und die digitalen Pioniere waren nicht imstande, eine ordentliche Kamera zu konstruieren. Das Resultat waren die etwas seltsamen Chimären à la Kodak DCS 410. Und dann kam Nikon. Zwar immer noch mit starken Anleihen an analogen Vettern, war die D1 doch eine reinrassige Digitalkamera mit professionellem Anspruch. Und dazu wurde sie zu einem Preis angeboten, der die Bastellösungen der anderen Hersteller geradezu vom Markt fegte. Das macht die D1 zum Meilenstein, auch wenn sie ein paar Schwachstellen hat, die Nikon in den Nachfolgemodellen beseitigte. (zur Beschreibung)

Canon EOS 300D (2003)

Canon ließ sich nach Nikons D1 erstmal noch ein wenig Zeit und entschied sich dann mit der EOS D30 für den Markteinstieg in der Mittelklasse, die wesentlich höhere Stückzahlen versprach. Das scheint gut geklappt zu haben. Dann der Paukenschlag mit einer echten Spiegelreflexkamera zum Hobbypreis. Die EOS 300D krempelte den Markt komplett um. Für viele Fans des EOS-Systems war nun die Zeit gekommen, in die Digitalfotografie einzusteigen und die liebgewordenen Objektive weiternutzen zu können. Es gab aber auch zahlreiche Neueinsteiger. Sicherlich ist das Profimodell EOS 1D die bei weitem beeindruckendere Kamera – aber für die Digitalkamerageschichte war die in riesigen Stückzahlen verkaufte EOS 300D und ihre zahlreichen Nachfahren sicherlich wichtiger. (zur Beschreibung)

Panasonic Lumix DMC-G1 (2008)

Jahrelang schien in Stein gemeißelt, dass eine Kamera entweder einen großen Sensor, eine Wechseloptik und einen Spiegelreflexsucher hat – oder mit einem fest verbauten Objektiv vor einem Mini-Sensor vorliebnehmen muss. Dabei hatten die schlichteren Modelle eine Reihe von Vorteilen, die man Spiegelreflexkameras mit Mühe andressieren musste, Live-View auf dem Kameramonitor oder einen Videomodus beispielsweise. Warum also nicht das Beste aus beiden Welten verbinden? Das erste Modell dieser neu erfundenen Kategorie der spiegellosen Systemkameras war Panasonics DMC-G1. Optisch wie eine etwas verkleinerte Spiegelreflexkamera gestaltet, war sie schon von Beginn an mit vielem ausgestattet, was das Grundprinzip so hergibt. Und damit ein ausgezeichneter Start für den Kameratypus, der sich bis heute als einziges noch gegen den Abwärtstrend auf dem Kameramarkt zu behaupten scheint. (zur Beschreibung)

Rest

Diese Liste sollte ja bewusst auf zehn Modelle beschränkt bleiben. Anfangs hatte ich allerdings eine „Longlist“ mit deutlich mehr Kameras. Jene, die es in die fertige Liste nicht geschafft haben, möchte ich nachstehend wenigstens kurz aufzählen:

Platz 11: Canon EOS 1D: (2002) Mit dieser Kamera ging Canon endlich den Profimarkt mit einer selbst entwickelten Spiegelreflexkamera an. Autofokusleistung, Bildwiederholrate und auch die solide Bauart der Kamera setzten Maßstäbe.

Platz 12: Canon Digital Ixus: (2000) Mit der ersten Ixus transplantierte Canon eine Designikone des analogen Zeitalters in die Digitale Welt. Mit dem unseligen APS-Film wäre aus der analogen Ixus auch nichts mehr geworden. Digital wurde eine bis heute fortgeführte Familie daraus.

Platz 13: Nikon Coolpix 900: (1998) Die Kamera mit schwenkbarer Optik hat Nikon nicht erfunden, aber über viele Jahre quasi zur Vollendung geführt. Der erste Meilenstein auf dem Weg dorthin war die Coolpix 900.

Platz 14: Canon PowerShot A75: (2004) Die A75 und ihre Verwandtschaft von A60 bis A95 sind so eine Art VW Golf unter den Kompaktkameras. Schnörkellos designt, zweckdienliche technische Ausstattung und mit allen Bedienmöglichkeiten einer „großen“ Kamera. Nicht billig, aber vernünftig bepreist. Nur schade, dass fast alle Kameras dieser Familie dem großen Sony-Sensorsterben erlegen sind.

Platz 15: Apple Quicktake 100 / Kodak DC40: (1994/95)Kodak wollte ja gerne eine Digitalkamera bauen, hat sich aber nicht so recht getraut. Also hat Apple sein Logo beigesteuert und so entstand eine der ersten Consumer-Digitalkameras. Am Ende kam Kodak dann doch mit eigenen Kameras auf den Markt.

Platz 16: Agfa Actioncam: (1995) Ähnlich wie Nikon und Kodak bei professionellen Spiegelreflexkameras zusammenarbeiteten, haben das hier im semiprofessionellen Bereich Minolta und Agfa versucht und das Ergebnis jeweils unter eigenem Namen vermarktet.

Platz 17: Agfa ePhoto 1280 / 1680: (1997/98) Hier hat Agfa ein echtes preisgekröntes Designobjekt abgeliefert, mit lichtstarkem Zoomobjektiv und für Ihre Zeit ordentlicher Bildauflösung. Fragt sich nur, warum Agfa nicht so weitergemacht hat?

Platz 18: Canon EOS D30: (2000) Mit dieser Kamera schaffte Canon den Einstieg in die DSLR-Produktion. Das Bedienkonzept war bereits so ausgefeilt, dass es jahrelang fast unverändert beibehalten wurde. Und gute Bilder machte die D30 noch obendrein.

Platz 19: Olympus Camedia C-3000 Zoom: (2000) Das ist für mich der Prototyp der hochwertigen 3-Megapixel-Dreifach-Zoom-Kamera. Ein tolles Gehäuse zwischen Retro und schick, eine gute Optik, saubere Bildverarbeitung und alle wichtigen Einstellmöglichkeiten an Bord.

Platz 20: Minolta Dimage V: (1996) Ein schönes Beispiel für die Experimentierfreude der Hersteller in den ersten Jahren der Digitalfotografie. Ein Objektiv, das man nicht nur drehen, sondern sogar abnehmen und per Kabel mit der Kamera verbinden kann. Damit kommt man dann in Ecken, wo die ganze Kamera nie hineinpassen würde.

Platz 21: Olympus Camedia E-100RS: (2000) Eine typische Bridge-Kamera der Superzoom-Kategorie. Die eigentliche Besonderheit ist aber die reduzierte Auflösung von nur 1,3 Megapixeln zu einer Zeit, als 3 Megapixel Standard waren. Dafür kann die Kamera in einer Sekunde 10 Bilder machen, was sie erstaunlicherweise zur beliebtesten Kamera unter den Besuchern von digicammuseum.de macht.

Platz 22: Olympus Camedia E-10P / E-20P: (2000/2001) Olympus war fast alleine auf dem Markt mit Spiegelreflexkameras, die ein fest verbautes Objektiv hatten. Die E-10P und E-20P hievten das Konzept in die (semi-)professionelle Liga. Ein mächtiges Gehäuse, herausragende Bedienung und eine tolle Optik machten die Kameras erfolgreich.

Platz 23: Nikon Coolpix 300: (1997) Eine kuriose Kreuzung aus Digitalkamera und Organizer. In Zeiten, wo jedes Smartphone beides in sich vereint, scheint das naheliegend. Bei der Coolpix 300 diente der Touchscreen aber noch hauptsächlich der nachträglichen Veredelung der Aufnahmen mit dem beigelegten Zeichenstift.

Platz 24: Kodak DCS 520: (1998) Kodak hat seine Digitalrückwände nicht nur mit Nikons verheiratet – hier kam Canons Topmodell EOS 1 zum Einsatz. Beide Komponenten sind nun so verschmolzen, dass man sie als Einheit wahrnimmt.

Platz 25: Sony DSC-F717: (2002) Das Design der DSC-F717 ist kurios: Eine winzige Kamera mit einem im Vergleich gewaltigen, schwenkbaren Objektiv. Letztlich ist das Resultat aber recht gut zu handhaben und macht mit der Zeiss-Optik sehr gute Bilder.

Platz 26: Canon PowerShot G1: (2000) Für mich ist die G1 ein großes Vorbild für die Klasse der Bridge-Kameras. Mit großem, solidem Gehäuse, einem guten Objektiv und allen Bedienelementen einer Spiegelreflexkamera. Und zudem hat die G1 eine sehr langlebige Kamerafamilie begründet.

Platz 27: Sony DSC-F1: (1997) Sonys erste Kompaktkamera ist ein echter Styler. Klein, kompakt, im Metallgehäuse war sie eine Vorlage für viele Edel-Kompaktkameras, die auf sie folgen sollten. Dazu kam noch das neckische schwenkbare Objektiv.

Platz 28: Ricoh RDC-i700: (2000) Ein ungewöhnliches Design kombiniert mit neuen Wegen bei der Bedienung zeichnen die RDC-i700 aus. Der Klappbildschirm kann per Stift bedient werden und der PCMCIA-Schacht der Kamera kann neben Speicherkarten auch Kommunikationsmodule aufnehmen. Sogar ein Webbrowser ist an Bord.

Platz 29: Minolta Dimage Z1: (2003) Wer dieses Design einmal gesehen hat, vergisst es nicht wieder. Die Objektiveinheit in Form einer Flugzeugturbine mit dem schmalen Steg zum voluminösen Handgriff machte die Kameras unverwechselbar. Eine von wenigen Kameras, von denen es fernöstliche Designimitate gibt.

Platz 30: Samsung NV10: (2006) Samsung stand viele Jahre lang für OEM-Scheußlichkeiten und teils absurd schlechte Kameras aus eigener Fertigung. Und dann kam die NV10 – und man kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ein hochelegantes Metallgehäuse und eine völlig neuartige Bedienung mit Sensor-Druck-Tasten rund um den Bildschirm zeichneten die Kamera aus. Optik und Bildaufbereitung konnten da nicht ganz mithalten, trotzdem bis heute ein schönes Gerät.

 

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