Die Bridge-Kameraklasse

Bridge, deutsch Brücke, ist die passende Bezeichnung für diese Kameraklasse. Sie hat ihren Ursprung in der analogen Fotografie, wo die Bridge-Kamera die Brücke von der universellen Spiegelreflex- zur gewöhnlich in ihren Möglichkeiten eingeschränkten Sucherkamera schlagen sollte. 

Statt einer gewöhnlich festen Brennweite wie bei der analoge Kompaktkamera - gewöhnlich ein Objektiv im Brennweitenbereich 35 und 50 mm -, ist die Bridgekamera mit einem Zoomobjektiv bestückt, das allerdings nicht wie bei der Spiegelreflexkamera gegen ein anderes Objektiv gewechselt werden kann. Es gab auch Sucherkameras mit fest eingebauten Zoomobjektiven.

Potthässliche, durchweg lichtschwache Krücken, die bei Einlegen des vom Fotohändler vorgeschlagenen, feinkörnigen und superscharfen ISO 100 Film eins ganz schnell lieferten - unscharfe Bilder. Hervorgerufen durch Zoomobjektive, deren Lichtstärke bei langer Brennweite auch mal bei f/6 oder f/6,7 endete. ISO 400 Filme waren zu diesem Zeitpunkt teuer und körnig…

Machen Sie sich selbst ein Bild von den analogen "Kameraschönheiten":

Hässlichkeit, Klobigkeit und Lichtschwäche pur

Mal gerade die ins untere Foto einmontierte Chrom-Silbermetallic Olympus IS-500 kann mit der mehrfach abgebildeten Nikon F501 Spiegelreflexkamera mithalten, was die Kompaktheit angeht. Aber die Licht-"Stärke"? f/4,9-6,8… Der Rest? Wirklich wahre "Hemdtaschen-Kameras" ;-) 

Erst digital wurde die Bridgekamera salonfähig

Mit lichtstarken Zoomobjektiven im (bei  aktuellen!) Brennweitenbereich vom 24 mm Weitwinkel bis zum 2000 mm Ultratele, in der Kamera verstellbaren ISO-Empfindlichkeiten, Objektiv-Stabilisierung und so weiter. Und einem wichtigen Unterschied zur analogen Bridgekamera, der erst mit der elektronischen Digitalkamera möglich wurde: der ebenfalls elektronische (Video) Sucher.

Als erste digitale Bridgekamera gilt die 1997 vorgestellte 0,8 Megapixel Olympus Camedia C-1000L. Die wie die analogen Vorgänger eine Spiegelreflexkamera mit fest eingebautem Zoomobjektiv ist.

Aber: Sie ist nicht die Erste!

Denn schon ein Jahr früher stellte Sony 1996 seine DKC-ID1 vor. Sieht eher aus wie eine Videokamera, ist aber eine digitale Stillbildkamera. Mit elektronischem Sucher und Zoom. Das, was eine Bridgekamera ausmacht!

Frühe Canon Bridgekameras

Die Reihe der Canon-Bridgekameras hat jetzt Verstärkung bekommen. Nach der 1,5 Megapixel Canon PowerShot Pro70 von 1998 und der 2,6 Megapixel PowerShot Pro90 IS von 2001 kommt jetzt der direkten Nachfolger, die 2004 vorgestellte 3 Megapixel Canon PowerShot S1 IS. Zur S1 IS gesellt sich noch ein weiterer Nachfolger, die 6 Megapixel S3 IS von 2006.

Boris hat die S3 IS ausführlich gewürdigt und Beispielfotos gezeigt. Er taxiert die S3 IS auf 34 Euro Sammelwert

Canon PowerShot S1 IS, S3 IS

Die hier gezeigte S3 IS ist defekt und kam auch so beworben für 6 Euro in die Sammlung. Nach Kontrolle und Säuberung der Kontakte und Einlegen der Akkus erwachte die S3 IS sofort zum Leben - fast jedenfalls. Obwohl 2006 präsentiert, gehört auch die S3 IS in die Reihe der von Boris gelisteten Digitalkameras mit Sensordefekt. Diese S3 IS produziert nur noch schwarze Fotos :-( Immerhin gab es für die 6 Euro mit der S3 IS den der S1 IS fehlenden Kamerariemen und eine 4 GB SD-Speicherkarte ;-)

Zum Thema Sensordefekt schreibt Boris: "Besonders anfällig für Sensordefekte war eine große Menge populärer Kameras, die in den Jahren 2002 bis 2004 hergestellt wurden und bei denen eine bestimmte Generation CCD-Sensoren von Sony verbaut war. Aufgrund eines Fertigungsfehlers konnten sich bei diesen Sensoren Kontakte innerhalb des Sensorchips lösen und zu Bildstörungen oder einem Totalausfall des Sensors führen. (...) Nachstehend eine Liste der betroffenen Modelle," (...) die ich in diesem Fall auf die betroffenen Kameras des Herstellers Canon reduziert habe.

PowerShot A40, A60 *, A70 *, A75 *, A80 *, A85 *, A95 *, A300, A310 Digital IXUS V2 +, V3, II +, IIs, 330 +, 400 *, 430, 500 * PowerShot S1 IS, S60, wo sich jetzt die S3 IS dazugesellt.

Was die obere Reihe der A-Modelle angeht, kann ich mit dem Beitrag "Canon PowerShot A-Klasse – oder: Sensordefekte en masse :-(" mitreden...

Zurück zur PowerShot S1 IS

Obwohl bei Boris mit hoher Sensor-Ausfallquote gelistet, erfreut sich meine 5 Euro PowerShot S1 IS  noch hoffentlich lange bester Gesundheit. Als Bridgekamera mit dem zusätzlichen E-Sucher habe ich die S1 IS gerne in die Sammlung genommen. Der E-Sucher ist von der Auflösung bescheiden, hat aber einen Riesenvorteil gegenüber Kameras, die nur den Liveview-Monitor haben: Ich sehe mein Motiv auch unter vollem Tageslicht! Belichtungsautomatik, Autofokus und Bildstabilisierung werden es dann schon richten!

Alle Kameradaten…

… in der deutschen Bedienungsanleitung zur Canon PowerShot S1 IS, sowie der

Bedienungsanleitung zur Canon PowerShot S3 IS

Zu bemängeln gibt es eigentlich nur eins - die geringe Auflösung von 3 Megapixel. Was aber sehr relativ ist, denke ich an meine zweite DSLR zurück, die Canon EOS D30 von 2000, die auch nur 3 MP bot... Oder die Nikon Coolpix 990, mit deren 3 MP ich 2000 die Kanalinsel Guernsey unsicher gemacht habe ;-)

Erweiterungsmöglichkeiten

Die Ausbaumöglichkeiten der S1 IS per Weitwinkel- oder Televorsatz sind damals wie heute nur theoretischer Natur. Wenn die Teile aktuell mal auftauchen, beginnen Adapter LA-DC52E und Weitwinkelvorsatz WC-DC52A (Faktor 0,7) zusammen bei 40 Euro aufwärts. Kein Gedanke bei der 5 Euro S1 IS. Nach oben kann die Brennweite mit dem T(ele)C(onverter)-DC52B (Faktor 1,5) verlängert werden. Mit den Vorsätzen wird das 38-380 mm 10 fach-Zoom bis 27 oder 570 mm erweitert.

Spezial-Firmware

Neugierig, ob sich mit einem inoffiziellen CHDK-Firmwareupdate aus der PowerShot S1 IS noch etwas mehr rausholen lässt, hatte ich mir die benötigten Zutaten (*) besorgt.

CHDK? Steht für Canon Hack Development Kit

An erster Stelle die Windows-Software CardTricks-144-SFX.exe die benötigt wird, um die Speicherkarte – im Fall der S1 IS eine 1 GB CompactFlash – bootfähig zu machen und die CHDK-Version zu installieren.

Zuvor muss der CHDK-Firmwareaufsatz s1is-102a-1.1.0_prealpha2-full.7z runtergeladen werden. Auf der gleichen Seite gibt es auch eine kurze Bedienungsanleitung. Die *.7z Datei hatte ich zuvor noch in eine *.zip umgewandelt. Um es kurz zu machen: Es funktioniert – aber mit Einschränkungen.

Bei jedem Einschalten der Canon PowerShot S1 IS muss diese Prozedur durchlaufen werden, sonst kann man CHDK nicht nutzen!

  • Start der S1 IS im Play (Wiedergabe) Modus
  • Wenn schon Fotos aufgenommen wurden, wird das letzte Bild angezeigt
  • Dann gleichzeitig den Set- und den Display-Knopfdrücken, bis Canon Powershot S1 IS und unter FirmwareVersion 1.002A „No error“ angezeigt wird. Der Set-Knopf muss ständig gedrückt gehalten werden!
  • Auf einen zweiten Druck auf Display verschwindet „No error“ und auf
  • den dritten Druck wird unter FirmwareVersion 1.002A SubCPU Version 0121 und IS Version 0.208 angezeigt.
  • Nur dann wird nach einem Druck auf die Taste „MENU“ der Menüpunkt „Firm Update“ angezeigt. Dort wird nach „Update firmware version?“ 1.0.2.0 – 1.0.2.1 mit OK gewählt und mit dem Druck auf SET bestätigt.

Nach Wechsel in den Aufnahme-Modus wird CHDK mit der „S“/JUMP-Taste aktiviert oder nach einem weiteren Druck deaktiviert. Angezeigt wird das aktivierte CHDK durch ein rotes ‹ALT›. Nach einem Druck auf die Taste MENU lässt sich dann entsprechend wählen. Mich interessierte dabei nur die zusätzliche Speichermöglichkeit im Adobe D(igital)N(e)G(ative) – DNG – Format. Nach Auswahl aus dem CHDK-Menü muss selbiges verlassen werden und die „S“/JUMP-Taste erneut betätigt werden, damit das ‹ALT› verschwindet! Sonst wird nichts aufgenommen und gespeichert. Dass CHDK im Hintergrund mitläuft, sehe ich an der zusätzlichen Anzeige DNG.

Muss man sich das antun?

Nun ja, wenn man technisch interessiert ist und genug Experimentier-/Spieltrieb hat ;-) Immerhin benennt der Programmierer seine CHDK-Version als "Prealpha release", eine Beta-Version. Die aber zuverlässig funktioniert. Bis auf das bei anderen Canon Digital-Kameras, anderen CHDK-Versionen funktionierende, automatische Booten… Bei der PowerShot S1 IS ist Handarbeit angesagt.

Auf die wie oben beschrieben behandelte 1 GB CF-Karte passen dann 238 Aufnahmen im Rohformat und über 1000 JPEGs. Wobei die letztere Zahl nicht korrekt ist. Es sind weniger durch die DNGs. Was CHDK nicht richtig kalkuliert. Geschenkt!

DNG/RAW vs. JPEG

Erbsenzählerei?

Wenn es um das letzte Bisschen Mehrschärfe geht, lässt sich aus der per CHDK erzeugten DNG-Rohdatei tatsächlich ein Hauch mehr Schärfe holen. Was per Mausklick in Lightroom schnell erledigt ist. Die per Rohdatenentwicklung erzielbare Schärfe ist aus der JPEG nicht zu erzielen. Die etwas bessere Schärfe wird allerdings auch durch einen bewusst belassenen Rest „Korn“ = Rauschen erkauft. "Korn", das vom Seheindruck auch sicher etwas Schärfe vortäuscht. Wie weit die Schärfe dann nachlässt, wenn genau so stark geglättet wird, wie es die kamerainterne PEG-Bearbeitung tut, habe ich nicht weiter probiert. Was dagegen nicht schnell erledigt ist, das sind bei der Rohdatenentwicklung Weißabgleich und Farbabstimmung. Da leistet die Original-Firmware der PowerShot S1 IS ganze Arbeit und liefert so gut wie perfekte JPEGs.

Ob einem das die oben beschriebene, doch recht aufwändige Prozedur der CHDK-Firmware-Installation bei einer 14 Jahre alten Drei-Megapixel-Bridgekamera wert ist? Das muss jeder für sich selbst entscheiden…

Links: JPEG direkt aus der Canon PowerShot S1 IS, rechts: CHDK-DNG-Rohdatei aus der S1 IS, entwickelt mit Adobe Lightroom 5.7.1

Mit Adobe RAW: Von 3 auf 6 Megapixel

Mit der Canon PowerShot S1 IS zum Jahrtausendturm, Elbauen/Magdeburg

Zum Jahrtausendturm

Wikipedia schreibt:

"Der Jahrtausendturm in Magdeburg ist mit 60 Metern Höhe das höchste Holzgebäude – nicht jedoch der höchste Holzturm – der Welt. (…) Der Jahrtausendturm wurde anlässlich der Bundesgartenschau 1999 im Magdeburger Elbauenpark errichtet. Darin befindet sich eine Ausstellung zur Entwicklung der Wissenschaften, mit vielen anschaulichen, teils interaktiven Experimenten. Unter anderem kann man durch ein astronomisches Fernrohr die Uhr des Magdeburger Domes ablesen. Ein Foucaultsches Pendel, das in der Turmspitze aufgehängt ist, demonstriert die Rotation der Erde. Der Turm war ursprünglich nur für die Zeit der Gartenschau konzipiert. Erst später wurde entschieden, den Turm und die Ausstellung darin dauerhaft zu betreiben."

Im Jahrtausendturm

Pfingstferien Ausklang

Finale

Da wurden schöne Erinnerungen wach! An die Zeit, wo ich unbekümmert mit der Nikon Coolpix 950 (2 Megapixel) und 990 (3 MP) auf Bilderjagd ging... Genau das gleiche Gefühl stellte sich bei der Canon PowerShot S1 IS ein! Die S1 ist immer noch eine gefällige Kamera und kann gegenüber der Coolpix mit ordentlich Tele und einem wirkungsvollem Bildstabilisator punkten. Für umgerechnet 380 mm Kleinbildbrennweite muss ein Smartphone schon extrem digital zoomen. Klar, dass die höher auflösende S3 IS hier im Vorteil wäre. Auf deren Erwerb ich aber verzichten werde, da diese Canon-Klasse ja offensichtlich von der fehlerbehafteten Sony Sensor-Reihe betroffen ist. Die funktionierenden S1 und die defekte S3 müssen zur Abbildung dieser Canon PowerShot-Klasse genügen.

Ralf Jannke, Frühsommer 2018

 

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