Digitalkamera Sammelwert-Ermittlungen

Avatar of Ralf JannkeRalf Jannke - 10. August 2017 - Wissen, Sammeln

Meine Frage an Boris Jakubaschk, was die erste in Serie und nicht mal 1000 Exemplaren gefertigte Digital-SLR der Welt, die extrem seltene 1,3 MP Kodak/Nikon F3/DCS100 nach seinen Berechnungen denn wert wäre, beantwortete er mit einem Preis von ca. 600 Euro. 

Der unwillkürliche Gedanke, dass mit diesem extrem niedrig erscheinenden Schätzpreis der Versuch unternommen werden soll, für wenig Geld an wertvolle Kameras zu kommen, ist ganz schnell widerlegt.

2016 wechselte eine komplette (!) Kodak DCS100 in England für 300 Pfund, ca. 350 Euro den Besitzer. Begleitet vom Geheul einiger Sammler, dass das doch nicht sein dürfte. Warum eigentlich? Ich selbst hätte 2016 eine nur 20 km weg von meinem Wohnort angebotene DCS100 für 1500 Euro zumindest anschauen können, was ich leider versäumt habe. Niemals hätte ich aber 1500 oder auch nur 1000 Euro dafür bezahlt! Im Fall, dass sie sich noch als funktioniernd - "tote" Akkus wären verzeihbar - erwiesen hätte und vor allen Dingen komplett MIT Software ausgestattet gewesen wäre, hätte ich maximal 800 Euro geboten...

Ich bin mir relativ sicher, dass Sammler, die ihre DCS00 vor 10, 15 Jahren bekamen, als sich niemand dafür interessierte, auch nicht viel mehr als diese geschätzten 600 oder meine (in Gedanken gebotenen) 800 Euro für eine DCS100 bezahlt haben!

Das hindert Anbieter 2017 aber nicht, ungeprüfte und "nackte" Kodak DCS100 DSLRs, denen neben den Kabeln, der externen Speichereinheit und der Software nun wirklich alles fehlt, für einen „Hype-Preis“ von 2000 Euro anzubieten. Das Ganze selbstverständlich mit mit dem "freundlichen" Hinweis der Rücknahmeverweigerung versehen.

Wertanlage?

Für den fanatischen, manchmal krankhaften Sammler sind Kameras wie eine Kodak DCS100 sowieso KEINE Wertanlage. Denn dieser Sammlertyp sammelt und sammelt und samm... und hortet und hortet und hor... Seine Nachfahren/Erben werfen den Plunder dann gleich in den Schrott oder verramschen das Ganze... Oder es wird versucht doppelte Exemplare für utopische Preise anzubieten. 

Ungleich tiefer angesiedelt, aber auch völlig überhöht, werden Canon Stillvideo-Kameras der ION-Serie angeboten. Per Boris Formel ergibt sich für die RC-251 ein Sammelwert von 44 Euro, für die RC-260 ein Wert von 65 Euro und für die RC-560 schließlich ein Wert von 95 Euro. Und dabei wird von kompletten und funktionierenden Kameras ausgegangen, nicht von Elektronik-Schrott!

Nach unseren Erfahrungen funktioniert von 10 ION RC-25x/26x/56x Kameras 1 – EIN – Exemplar. Manchmal zwei Exemplare. Die restlichen acht bis neun Exemplare sind irreparabel defekt. Trotzdem werden diese Kameras als ungeprüft - "konnte nicht auf Funktion getestet", mit den blödsinnigen Hinweise: "wird vorsichtshalber als defekt angeboten" und "keine Rücknahme" zu Preisen bis 300 Euro offeriert. Ganz einfache Regel: "Finger weg!" Ein kaputtes ION-“Belegexemplar" für die Sammlung und für 20 Euro geht in Ordnung...

Schön auch die seltenere Canon PowerShot Pro 70. Diese Kamera ist nur in Betrieb zu nehmen, wenn wenigstens ein in der Regel „toter“ Akku beiliegt, der mit Gewalt geknackt werden muss, um die innenliegenden, vier 1,2 Volt Akkus der Größe AA auszutauschen. Denn der Akku ist mit keinem vorhandenen Modell kompatibel! Auch der angeblich mögliche Notbetrieb mit einer 6 Volt Li-Batterie scheitert an der Kontaktierung im Batteriegehäuse! Aber nur mit einem "toten" Akku angeboten, ist noch lange nicht sicher, ob die Pro 70 überhaupt ans Laufen zu bekommen ist. Komplett mit Akku, Ladegerät und Akku-Dummy angeboten, ist eine Kontrollmöglichkeit sofort gegeben. Was Anbieter aber auch in diesem Fall nicht davon abhält, den ganzen Kram wieder als ungeprüft, zur Vorsicht als defekt deklariert zu überhöhten Preisen um die 100 Euro anzubieten. Mit der üblichen "Rücknahmeverweigerung", versteht sich...

Die oben genannte "Finger-weg-Regel" erspart auch hier unnötige Geldausgaben und Frust!

Boris schreibt in seinem Blogbeitrag: „Was sind alte Kameras wert?“: „Wie verlässlich sind die angegebenen Werte?

Kurze und knappe Antwort: Überhaupt nicht! Es sind aus vergleichsweise wenigen Daten berechnete Preise, wobei der dafür verwendete Algorithmus meine persönliche und sehr subjektive Werteinschätzung zu treffen versucht. In den meisten Fällen gelingt das recht gut.“

Mit Blick über mittlerweile ca. 420 Digitalsammelkameras kann ich Boris’ durch automatische Werteinschätzung ermittelte Preise gut bestätigen!

Und noch einmal Boris: „Es gibt allerdings ein paar Kameras, bei denen die Gebrauchtpreise aufgrund eines Hypes zustande kommen und im Grunde bar jeder Vernunft sind. Sowas berücksichtigt der Algorithmus nicht - es trifft aber auch nur auf sehr wenige Kameras zu.“

Und so wird die Kodak DCS100, wenn sie mal auftaucht, in der freien Marktwirtschaft auch eher zu höheren vierstelligen Preisen angeboten, wie die CONTAX N DIGITAL für 2- bis 3000 Euro…

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1 Kommentare

Boris Jakubaschk

10. August 2017

Hallo Ralf,

ich bin ausnahmsweise gänzlich anderer Ansicht als Du.

Wenn altes Zeug seinen Besitzer wechselt, dann ist es ganz allein Sache von Verkäufer und Käufer, auf welchen Preis sie sich einigen. Es steht uns weder zu, uns über Käufer aufzuregen, die zu teuer oder zu billig gekauft haben, noch über die überzogenen Forderungen von Verkäufern.

Ich pflege da eine sehr entspannte Weltsicht: Wer zu Mondpreisen anbietet und einen Käufer findet, hat zumindest in finanzieller Hinsicht alles richtig gemacht. Wer einen Sammler seiner Wahl beschenkt und sich damit glücklich fühlt ebenso. Wer ein Schnäppchen macht oder ein lang gesuchtes Stück zum Schweinepreis kauft und damit glücklich ist - alles prima. Niemand ist gezwungen, eine zu teuer angebotene Kamera zu kaufen. Und kein Verkäufer sollte gezwungen sein, eine Kamera für weniger als seinen gefühlten Wert herzugeben. Einen Verkauf gibt es nur dann, wenn beide Seiten sich irgendwie mit dem Preis arrangieren können.

Und genau so ist meine Wertermittlung zu verstehen: Als meine ganz persönliche Einschätzung, die sich ja glücklicherweise recht gut mit Deiner deckt und auch schon einigen Stichproben bei Ebay standhalten konnte. Es macht aber überhaupt nichts, wenn sich irgendwo ein Käufer und ein Verkäufer auf den zehnfachen Preis einigen. Was die Wertermittlung nicht berücksichtigt, ist der Hype, der immer dann einsetzt, wenn von einer Kamera weniger Exemplare existieren, als es Interessenten dafür gibt.

Klar gibt es eine ganze Reihe von Kameras, die ich furchtbar gerne hätte und deren Marktpreise sie derzeit für mich unerschwinglich machen. Damit muss ich leben - und es reiht sich ein in die lange Liste von Dingen, die meine Finanzen nicht hergeben. Wie das schicke Cabrio als Drittwagen oder die Villa mit Meerblick in klimatisch erfreulicheren Regionen. Daran hängt aber nicht mein Glück und bei den Kameras gibt es ja zumindest die kleine Chance auf den glücklichen Flohmarktfund oder einen freundlichen Spender.


Was ist digicammuseum.de?

Die analoge Fotografie blickt auf eine etwa 170-jährige Geschichte zurück, seit etwa 100 Jahren sind Fotoapparate auch für Privatleute erschwinglich. Trotzdem sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis die Fotografie zu einem Hobby für Millionen von Menschen wurde und der Fotoapparat zum selbstverständlichen Accessoire jeder Urlaubsreise.

Um so überraschender ist es zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit die etablierte Technik in wenigen Jahren nach der Jahrtausendwende in eine Nischenexistenz zurückgedrängt wurde. Ersetzt wurde sie durch Digitalkameras. Diese haben in kürzester Zeit eine atemberaubende Evolution durchlaufen und haben ihre analogen Vorfahren weitgehend überflüssig gemacht. In fast allen Haushalten wurde die alte Spiegelreflex- oder Kompaktkamera durch ein digitales Modell ersetzt.

Während die meisten analogen Kameras viele Jahre, teilweise auch Jahrzehnte lang genutzt wurden, landen die meisten Digitalknipsen nach drei bis vier Jahren in der Schublade und müssen einem leistungsfähigeren Modell weichen. Die technischen Fortschritte werden jedoch immer kleiner. Digitalkameras haben einen Stand erreicht, der keine drastischen Verbesserungen mehr zulässt. Der Boom fand seinen Höhepunkt um die Jahre 2008-2010 und hat seither deutlich nachgelassen.

Das ist auch schon rein äußerlich zu erkennen: In den ersten Jahren war bei den Herstellern von Digitalkameras der Wille zu beobachten, die neue Technik auch für Innovationen in Design, Bedienung und Funktionalität zu nutzen. Inzwischen ist diese Phase weitgehend vorbei und die Hersteller haben zu den aus analoger Zeit bekannten Kameratypen zurückgefunden: Kompaktkameras auf der einen und Systemkameras auf der anderen Seite.

Die in Smartphones eingebauten Kameras sind inzwischen jedoch so gut, dass sie Kompaktkameras die Existenzberechtigung geraubt haben. Wozu ein separates Gerät kaufen, wenn man vergleichbare Bilder auch mit dem Handy hinbekommt, das man zudem immer in der Tasche hat?

Es entsteht so im Moment die paradoxe Situation, dass so viel fotografiert wird, wie noch nie in der Geschichte - und gleichzeitig immer weniger "richtige" Kameras verkauft werden. Mag sein, dass die Ära der Fotoapparate für jedermann zu Ende geht und bald nur noch Hobbyfotografen und Profis als Kamerakäufer übrig bleiben. Deswegen ist nicht zu früh, die "wilden Jahre" der Digitalkamera-Entwicklung zu dokumentieren.

Diese Homepage war anfangs vor allem als virtuelles Museum meiner Kamerasammlung gedacht. Inzwischen ist daraus ein Projekt geworden, bei dem ein wachsender Kreis von Autoren tolle Beiträge zur Digitalkamera-Geschichte beisteuert. Den weitaus größten Anteil daran hat Ralf Jannke, der mit seinen Praxisbeiträgen die verschiedensten Themen detailliert behandelt und großartig bebildert. Was sich allerdings nicht geändert hat: Die Homepage ist ein reines Hobby- und Spaßprojekt. Wir freuen uns über den Austausch mit anderen Sammlern und Fotobegeisterten. Es gibt keine Werbung und wir sind auch keine bezahlten Influencer. Falls Sie allerdings noch eine spannene Kamera herumliegen haben, die Sie nicht mehr brauchen - wir sind immer auf der Suche nach weiteren Exponaten.

Boris Jakubaschk