Entzugserscheinungen ;-)

Avatar of Ralf JannkeRalf Jannke - 28. Juni 2021 - Wissen, Sammeln

Mitleidskäufe

Der Stadtteil hatte zum "Garage-Sale", Ortsteilflohmarkt aufgerufen. Nach so langer Zeit mal wieder in altem Gruuscht — sagt der Schwabe — zu stöbern ;-) Oder nach Astrid Lindgrens Michel (Emil) von Lönneberga auf der Auktion von Backhorva (sinngemäß): "Die Leute kommen, um unnützes Zeug zu verkaufen und unnützes Zeug zu kaufen" ;-)

Was habe ich an unnützem Zeug gekauft?

Zwei Digitalkameras aus der geschmähten "Chromzigarettenetui-Klasse" Für je einen Fünfer eine Panasonic LUMIX DMC-FX01, MEGA O.I.S. WIDE, LEICA DC VARIO-ELMARIT 1:2.8-5.6/4.6-16.8 ASPH (28-102 mm @KB), 6 MP, Vorstellungsjahr 2007 und eine Olympus FE-290, OLYMPUS LENS, AF-WIDE 4x OPTICAL ZOOM 4.55-18.2mm 1:2.7-5.4 (28-112 mm @KB), 7.1 MEGAPIXEL aus dem gleichen Vorstellungsjahr.

Die Lumix hatte zwei Akkus samt Ladegerät, wovon der Original-Akku komplett tot war. Der Noname-Akku schaffte es immerhin die Lumix zum erfolgreichen Funktionstest kurzzeitig in Betrieb zu nehmen. Der Akku der Olympus war ebenfalls hin, aber per Netztteil ließ sich auch die Olympus in Betrieb nehmen.

Auf keinen Fall werde ich da in Akkus investieren. Freundlicherweise waren auf der 2 GB Lumix SD-Speicherkarte genügend unverfängliche Fotos, wo ich mich bedient habe — siehe oben. Dass man da keine Bilder nimmt, die Personen zeigen, ist selbstverständlich. So wichtig kann es aber nicht gewesen sein, dass es vergessen wurde. Gewundert habe ich mich trotzdem, da die Besitzerin jetzt eine Bridge-Digitalkamera mit zusätzlichem E-Sucher benutzt. Eben das Manko von Kameras und Smartphones, dass ich auf dem Monitor bei heller Umgebung das Motiv nicht richtig erkenne. Warum sie die Karte aus der Lumix da nicht einfach weiter benutzte — wer weiß. Beim Öffnen solcher Speicherkarten gehe ich immer mit zusammengekniffenen Augen und halb abgewandtem Blick ran. Neugier ja, aber ICH WILL KEINE FOTOS VOM FKK-Strand SEHEN ;-) Alles schon dagewesen und von den Vorbesitzern achtlos auf der Speicherkarte vergessen. Und von mir umgehend formatiert …

Und doch waren diese beiden Kameras die Bestätigung, wie das Smartphone diese Kameraklasse pulverisiert hat. Zu Recht. OK, bis das Smartphone mehr Weitwinkel und Tele in Form von Doppel-/Dreifachobjektiven bekam, hat es noch gedauert, wenn man von 2007 ausgeht, dem Erscheinungsjahr der beiden Kameras.

Und noch etwas haben diese beiden Kameras gezeigt. 

Der Markt scheint leer! Leer? Bei der Menge an angebotenen Kameras? Ja, aber nur noch Masse statt Klasse. Die wirklich interessanten Digitalkameras aus 1995 bis 2000 sind größtenteils verschwunden. Waren die 2015 noch fast alle zu überschau- bis vertretbaren Preisen zu haben, sind sie jetzt komplett weg. Oder werden vereinzelt zu Preisen angeboten, wenn man in eBay nach "digitalkamera vintage oder rare" sucht, für die ich niemals kaufen würde. So nett das Sammeln war, für faszinierenden aber letztlich Elektronik-Schrott gebe ich keine nennenswerten Beträge (mehr) aus.

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Was ist digicammuseum.de?

Die analoge Fotografie blickt auf eine etwa 170-jährige Geschichte zurück, seit etwa 100 Jahren sind Fotoapparate auch für Privatleute erschwinglich. Trotzdem sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis die Fotografie zu einem Hobby für Millionen von Menschen wurde und der Fotoapparat zum selbstverständlichen Accessoire jeder Urlaubsreise.

Um so überraschender ist es zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit die etablierte Technik in wenigen Jahren nach der Jahrtausendwende in eine Nischenexistenz zurückgedrängt wurde. Ersetzt wurde sie durch Digitalkameras. Diese haben in kürzester Zeit eine atemberaubende Evolution durchlaufen und haben ihre analogen Vorfahren weitgehend überflüssig gemacht. In fast allen Haushalten wurde die alte Spiegelreflex- oder Kompaktkamera durch ein digitales Modell ersetzt.

Während die meisten analogen Kameras viele Jahre, teilweise auch Jahrzehnte lang genutzt wurden, landen die meisten Digitalknipsen nach drei bis vier Jahren in der Schublade und müssen einem leistungsfähigeren Modell weichen. Die technischen Fortschritte werden jedoch immer kleiner. Digitalkameras haben einen Stand erreicht, der keine drastischen Verbesserungen mehr zulässt. Der Boom fand seinen Höhepunkt um die Jahre 2008-2010 und hat seither deutlich nachgelassen.

Das ist auch schon rein äußerlich zu erkennen: In den ersten Jahren war bei den Herstellern von Digitalkameras der Wille zu beobachten, die neue Technik auch für Innovationen in Design, Bedienung und Funktionalität zu nutzen. Inzwischen ist diese Phase weitgehend vorbei und die Hersteller haben zu den aus analoger Zeit bekannten Kameratypen zurückgefunden: Kompaktkameras auf der einen und Systemkameras auf der anderen Seite.

Die in Smartphones eingebauten Kameras sind inzwischen jedoch so gut, dass sie Kompaktkameras die Existenzberechtigung geraubt haben. Wozu ein separates Gerät kaufen, wenn man vergleichbare Bilder auch mit dem Handy hinbekommt, das man zudem immer in der Tasche hat?

Es entsteht so im Moment die paradoxe Situation, dass so viel fotografiert wird, wie noch nie in der Geschichte - und gleichzeitig immer weniger "richtige" Kameras verkauft werden. Mag sein, dass die Ära der Fotoapparate für jedermann zu Ende geht und bald nur noch Hobbyfotografen und Profis als Kamerakäufer übrig bleiben. Deswegen ist nicht zu früh, die "wilden Jahre" der Digitalkamera-Entwicklung zu dokumentieren.

Diese Homepage war anfangs vor allem als virtuelles Museum meiner Kamerasammlung gedacht. Inzwischen ist daraus ein Projekt geworden, bei dem ein wachsender Kreis von Autoren tolle Beiträge zur Digitalkamera-Geschichte beisteuert. Den weitaus größten Anteil daran hat Ralf Jannke, der mit seinen Praxisbeiträgen die verschiedensten Themen detailliert behandelt und großartig bebildert. Was sich allerdings nicht geändert hat: Die Homepage ist ein reines Hobby- und Spaßprojekt. Wir freuen uns über den Austausch mit anderen Sammlern und Fotobegeisterten. Es gibt keine Werbung und wir sind auch keine bezahlten Influencer. Falls Sie allerdings noch eine spannene Kamera herumliegen haben, die Sie nicht mehr brauchen - wir sind immer auf der Suche nach weiteren Exponaten.

Boris Jakubaschk