Zwei Jahre zur "Untermiete" im digicammuseum.de

Avatar of Ralf JannkeRalf Jannke - 12. Mai 2017 - Wissen, Sammeln, Ausprobieren

Was erst zaghaft begann, wurde dann ab Sommer 2015 und das ganze 2016 zur “Shopping-Tour“ historischer, alter, mehr oder weniger wertvoller Digitalkameras. Von der primitivem Knipse über die bessere Einsteigerkamera, die noch bessere Prosumerkamera bis hin zur semi- bis voll professionellen Systemkamera mit (DSLR) oder ohne Spiegel (DSLM). Kaum etwas war vor mir sicher :-)

Jetzt, 2017, ist "die Shopping-Kurve stark abgeflacht", weitgehende Sättigung eingetreten. Es fehlen aus meiner Sicht noch rund 10 Kameras, um die Sammlung komplett zu haben. Wobei Kameras, wie die erste in Serie von knapp 1000 Exemplaren gefertigte DSLR der Welt, die Kodak/Nikon F3 DCS 100 so wie die analog aufzeichnenden Stillvideokameras Canon RC-701, RC-760 und die Nikon QV-1000(c) illusorisch sind. Da werden nicht selten für nicht funktionierende Kameras vierstellige Dollar-/Euro-Preise gefordert: Zum Beispiel für diese erste und "ganz saubere" Digital-Nikon KODAK DCS-100, DM3 MONOCHROME 1999,95 Dollar Startpreis. Die "CAMERA IS ENTIRELY UNTESTED" – "Die Kamera ist komplett UNGETESTET". Dazu kommen noch 149 Dollar Porto und Größenordnung 400 Euro Zoll.

Ich würde nicht mal ein Zehntel dieser Gesamtsumme in eine unvollständige, möglicherweise defekte Kamera, der die komplette Aufnahmeeinheit mit Monitor und Festplatte, alle Kabel und Software fehlen, investieren. Ohne die Einheit, Kabel, Software ist eine Kodak DCS 100 (zumindest für mich) wertlos! Für einen Hunni würde ich – vielleicht – ein "nacktes" Kodak DCS 100 Deko-Exemplar in die Sammlung aufnehmen. Für drei Kodak/Nikon DCS Nachfolge-Modelle der DCS 100 habe ich pro Stück Größenordnung 250 Euro investiert. Immer mit dem hohen Risiko, Elektronik-Schrott ersteigert zu haben. Und dann wirklich das Riesenglück gehabt, bis auf kleine Macken drei funktionierende historische DSLRs bekommen zu haben! 

Geduld

Leicht anzuraten, schwer(er) einzuhalten – zumindest für mich. Über die zwei Jahre hat sich gezeigt, dass man zum Sammeln Geduld braucht. Aber auch einen „Riecher“. Für etliche Kameras habe ich 20 bis 30 Euro ausgegeben. Viel zu viel, denn innerhalb der letzten zwei Jahre tauchten diese Modelle unter Umständen sogar mehrfach für Größenordnung 5 Euro auf und gingen dafür auch weg. Es gab aber auch Kameras, bei denen ich das richtige Gefühl hatte: Jetzt oder nie. Und tatsächlich tauchten diese Kamera bis heute nicht wieder auf. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Wieviel Digitalkameramodelle gibt es schätzungsweise?

Lässt man die in der ältesten deutschen Seite digitalkamera.de gelisteten Kameras mal mit Hilfe von „Copy and Paste“, Textverarbeitung mit etwas Text Suchen/Ersetzen und ein paar Tricks automatisch zählen, sind dort etwas über 3000 Digitalkameras aufgeführt. Das wären von 1996 – dort begann digitalkamera.de zu listen – bis April 2017 in 21 Jahren gerundet 143 neue Modelle pro Jahr. Die tatsächliche Anzahl der weltweit je produzierten Modelle ist unbekannt, liegt aber sicher deutlich über 3000 Modellen. Ich wage aber zu bezweifeln, dass die Zahl 5000 an Modellen erreicht wird – Stand 2017. Ganz unabhängig von den Kosten gehörte man beim Versuch die alle (gebraucht) kaufen zu wollen weggesperrt ;-) So war das auch oben zu verstehen: „Die Sammlung aus eigener Sicht komplett zu haben...“

Der Zeitraum von 1995 bis 2000 ist der spannendste,

was die Digitalkameraentwicklung angeht. Mancher Sammler geht auch nur bis 2000. Nach unten kann der Zeitraum noch bis ins Jahr 1987/88 erweitert werden, als es die ersten filmlos, aber noch analog speichernden Kameras von Canon und Nikon gab.

Exakt beginnt die Geschichte der filmlosen Fotografie allerdings schon 1974 

Da baute der 24-jährige Kodak Ingenieur Steve Sasson die tatsächlich allererste und viele Jahre einzige Digitalkamera der Welt. Diese Kodak Digitalkamera steht im National Museum of American History in Washington.

Ich habe den Zeitraum von 1995 bis 2000 für aus meine Sicht sammelwürdige Digitalkameras bis 2005 erweitert und mit ein paar Ausnahmen noch darüber hinaus. Die Panasonic Lumix DMC-G1 ist 2008 schließlich die erste spiellose Systemkamera der Welt!

Über meine zwei Sammel-Jahre stellte sich aber früh genug ein Gefühl dafür ein, was man denn in einer repräsentativen Sammlung haben könnte, sollte, müsste. Was die Konsumerkameras angeht, lasse ich primitive Kameras der von mir als "Kirmesklasse" bezeichneten Modellen unbekannter Auftrags-Hersteller in eBay wie Flohmärkten mittlerweile "links" liegen. Langweilig, keine Lust damit zu fotografieren, auch wenn die Kameras noch funktionieren.

Das trifft auch auf die "Chrom-Zigaretten-Etui"-Klasse zu.

Völlig austauschbare Kameras wie Sand am Meer, ohne Klasse und Charakter. Kein Wunder, dass besonders dieser Kameraklasse von den heute hervorragenden Smartphones vollkommen zu Recht ein immer schnelleres Ende bereitet wird. Nach vergeblichen Versuchen diese Kameras nicht selten zu Mondpreisen noch irgendwie an den Mann, die Frau zu bringen, bleibt am Ende nur die Gitterschrottbox für Elektrokleingeräte der örtlichen Müllsammelstelle. Oder der frustrierte Wurf in die hinterste und tiefste Schubladenecke. Selbst für 5 Euro bücke ich mich auf Flohmärkten nicht mehr nach diesen Kameras... Die Leute haben ihr Smartphone, ggf. noch erweitert mit einem wasserdichten GoPro Actionkamera-Klon für 50 Euro, der übers Smartphone drahtlos gleich mit gesteuert werden kann...

Aber: Nie konnte man sich für so wenig Geld vielleicht weniger mit Sammelkameras, als vielmehr mit Spitzen-Systemkameras eindecken,

die sogar beide Zwecke erfüllen: Sammeln UND damit fotografieren. Ich bin 2012 mit 36 Millionen Bildpunkten aus dem irrsinnigen (Pixel-) Rennen ausgestiegen, um dann ganz "erstaunt" festzustellen, dass sich auch mit 6 bis 12 Millionen Pixel ganz prima fotografieren lässt ;-)

Warum 1500 Euro für eine neue, aber vom Hersteller kastrierte 20 MP DSLR mit kleinem 15x23 mm APS-C-Sensor ausgeben, wenn man für 1200 Euro ein älteres, superrobustes 12 MP 24x36 mm Vollformatsensor-Profigehäuse (samt Rückgabemöglichkeit und 1 Jahr Garantie) haben kann? Eine 12 Megapixel Nikon D2X oder die superschnelle (8 B/s) 8 Megapixel Canon EOS 1D MK II sind für Größenordnung 350 bis 400 Euro zu haben – mit Rückgaberecht! Haben Sie mal die Abmessungen Panasonics zweiter DSLM, der GH1 mit der aktuellen GH5 verglichen? 124 x 90 x 45 mm/437 g 12 Megapixel für 80 Euro (gebraucht) stehen da 139 x 98 x 87 mm/725 g 20 Megapixel und 2000 Euro gegenüber. Wenn ich nicht gerade im Videolager bin und nur 2K/4K filme oder ständig schnell bewegte Motive u.U. bei ISO 1600 und mehr benötige, dauernd Abzüge von jenseits 40 x 60 cm Größe drucke/belichten lasse, eine vollkommen überflüssige Geldausgabe.

Ich hätte 2015 nicht geglaubt, wie überdeutlich mir das in den vergangenen zwei Jahren Sammeltätigkeit vor Augen geführt wurde: Diese irre Neuvorstellungs-Schlagzahl, mit der einige Hersteller möglicherweise immer schneller ihr eigenes Grab schaufeln. Wer soll diese Menge an Kameras kaufen? Seitdem ist bei mir völlige Entspannung eingetreten.

Stattdessen erlaube ich mir den Luxus eine 50 Euro 6 Megapixel Nikon D50 als Ersatzkamera anderweitig auszulagern oder gerne mit einer 7,4 Megapixel Olympus E-330 von 2006 loszuziehen. Fürs 10-jährige Jubiläum zwei Jahre zu früh, aber da ich ja die "ZEITWENDE" ausgerufen hatte, schon 2016: die 70 Euro 12 Megapixel Panasonic Lumix DMC-G1, die erste spiegellose Systemkamera der Welt. Um es abzuschließen: Zu meinen Nikon-Hochzeiten hätte ich eine digitale Pentax nicht mal mit spitzen Fingern angefasst. Und? Als eine 6 Megapixel Pentax *ist D L2 zu haben war, habe ich auch die meiner Sammlung einverleibt. All das findet in der Rubrik: „Auch heute zum Fotografieren brauchbare (alte) Digitalkameras“. Selbst wenn man gar nicht (intensiv) sammeln möchte, lohnt dort ein Blick.

Auf die nächsten Jahre im digicammuseum.de

Ralf Jannke

 

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1 Kommentare

Dirk

12. Mai 2017

Da kann ich nur sagen, Danke und weiter so. Gucke jeden Tag rein obs was Neues gibt :)

 

Aber es fehlt noch die herausragende Kodak DX7630.

M.E. eine der Aller-Besten dieser Zeit was die spitze Bildqualität angeht. Schön kompakt und stabil, alle Automatiken an Bord, ausreichend schnell. Der Joystikgnubbel ist der einzigste Schwachpunkt bei sehr intensiver Benutzung in sandiger Umgebung (Strand).


Was ist digicammuseum.de?

Die analoge Fotografie blickt auf eine etwa 170-jährige Geschichte zurück, seit etwa 100 Jahren sind Fotoapparate auch für Privatleute erschwinglich. Trotzdem sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis die Fotografie zu einem Hobby für Millionen von Menschen wurde und der Fotoapparat zum selbstverständlichen Accessoire jeder Urlaubsreise.

Um so überraschender ist es zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit die etablierte Technik in wenigen Jahren nach der Jahrtausendwende in eine Nischenexistenz zurückgedrängt wurde. Ersetzt wurde sie durch Digitalkameras. Diese haben in kürzester Zeit eine atemberaubende Evolution durchlaufen und haben ihre analogen Vorfahren weitgehend überflüssig gemacht. In fast allen Haushalten wurde die alte Spiegelreflex- oder Kompaktkamera durch ein digitales Modell ersetzt.

Während die meisten analogen Kameras viele Jahre, teilweise auch Jahrzehnte lang genutzt wurden, landen die meisten Digitalknipsen nach drei bis vier Jahren in der Schublade und müssen einem leistungsfähigeren Modell weichen. Die technischen Fortschritte werden jedoch immer kleiner. Digitalkameras haben einen Stand erreicht, der keine drastischen Verbesserungen mehr zulässt. Der Boom fand seinen Höhepunkt um die Jahre 2008-2010 und hat seither deutlich nachgelassen.

Das ist auch schon rein äußerlich zu erkennen: In den ersten Jahren war bei den Herstellern von Digitalkameras der Wille zu beobachten, die neue Technik auch für Innovationen in Design, Bedienung und Funktionalität zu nutzen. Inzwischen ist diese Phase weitgehend vorbei und die Hersteller haben zu den aus analoger Zeit bekannten Kameratypen zurückgefunden: Kompaktkameras auf der einen und Systemkameras auf der anderen Seite.

Die in Smartphones eingebauten Kameras sind inzwischen jedoch so gut, dass sie Kompaktkameras die Existenzberechtigung geraubt haben. Wozu ein separates Gerät kaufen, wenn man vergleichbare Bilder auch mit dem Handy hinbekommt, das man zudem immer in der Tasche hat?

Es entsteht so im Moment die paradoxe Situation, dass so viel fotografiert wird, wie noch nie in der Geschichte - und gleichzeitig immer weniger "richtige" Kameras verkauft werden. Mag sein, dass die Ära der Fotoapparate für jedermann zu Ende geht und bald nur noch Hobbyfotografen und Profis als Kamerakäufer übrig bleiben. Deswegen ist nicht zu früh, die "wilden Jahre" der Digitalkamera-Entwicklung zu dokumentieren.

Diese Homepage war anfangs vor allem als virtuelles Museum meiner Kamerasammlung gedacht. Inzwischen ist daraus ein Projekt geworden, bei dem ein wachsender Kreis von Autoren tolle Beiträge zur Digitalkamera-Geschichte beisteuert. Den weitaus größten Anteil daran hat Ralf Jannke, der mit seinen Praxisbeiträgen die verschiedensten Themen detailliert behandelt und großartig bebildert. Was sich allerdings nicht geändert hat: Die Homepage ist ein reines Hobby- und Spaßprojekt. Wir freuen uns über den Austausch mit anderen Sammlern und Fotobegeisterten. Es gibt keine Werbung und wir sind auch keine bezahlten Influencer. Falls Sie allerdings noch eine spannene Kamera herumliegen haben, die Sie nicht mehr brauchen - wir sind immer auf der Suche nach weiteren Exponaten.

Boris Jakubaschk