Bewertungsmaßstab für alte Kameras

Avatar of Boris JakubaschkBoris Jakubaschk - 09. Oktober 2016 - Ausprobieren

Ich spekuliere mal, wie die meisten Besucher wohl auf diese Homepage stoßen: Manche werden die Modellbezeichnung einer Kamera bei Google eingeben, die sie früher mal hatten. Oder aber sie haben eine alte Kamera in die Hände bekommen und versuchen gerade herauszufinden, was man mit dem alten Schätzchen noch anfangen kann.

Für letztere Gruppe – und auch für jeden langjährigen Digitalkameranutzer – dürfte eine neue Funktion in digicammuseum.de recht spannend sein: Bei jeder Kamerabeschreibung im Menü „Kameras“ gibt es nun in der rechten Spalte eine Grafik mit diversen Kreisdiagrammen. Diese geben auf einen Blick Aufschluss darüber, was man mit dieser Kamera auch heute noch anfangen kann. In der ersten Zeile zeigen sechs Diagramme die Stärken in den sechs fotografischen Disziplinen Makro-, Portraitaufnahmen, Dokumentation des Familienlebens, Reise-, Sport- und Tierfotografie. In der zweiten Zeile ist zu sehen, wie gut Aufnahmen dieser Kamera für die Ausgabe auf einem Bildschirm, ein gedrucktes Foto, ein Fotobuch mit ganzseitigen Bildern oder ein großformatiges Poster geeignet sind.

Da die Diagramme die gesamte Digitalkamerageschichte abdecken sollen, muss man sie etwas großzügiger lesen, insbesondere bei älteren Kameras. Ich schlage so in etwa folgende Interpretation vor:

100% (grüner Vollkreis): Sehr gut geeignet, kann sich mit jeder aktuellen Kamera bei „haushaltsüblichen“ Aufgabenstellungen problemlos messen. Aber natürlich gibt es Spezialisten, die es noch besser hinbekommen. Und bei Kameras mit Wechselbajonett gilt die Bewertung nur bei einem optimal auf die Aufgabe zugeschnittenen Objektiv (oder mehreren).

75% (gelbgrüner Dreiviertelkreis): Sehr gut geeignet, wobei es insbesondere unter jüngeren Semestern oder höherklassigen Kameras natürlich noch Luft nach oben gibt.

50% (gelber Halbkreis): Gut geeignet. Für den Hausgebrauch macht die Kamera in dieser Disziplin ordentliche Bilder. Wenn man genau hinschaut, sieht man leichte Defizite, die aber im Fotoalbum wirklich nicht stören.

25% (roter Viertelkreis): Immer noch einigermaßen geeignet. Bei älteren Kameras kann man vermuten, dass sie zu ihrer Zeit ziemlich gut war. Seither hat sich die Technik aber natürlich weiterentwickelt. Bei neueren Kameras ist es allerdings ein Indiz für eher schwache Performance in dieser Disziplin.

0% (grauer Kreis): Das wird nichts. Für diese Disziplin ist die Kamera von heutigen Ansprüchen aus betrachtet einfach nicht geeignet. Sehr alte Modelle waren zu ihrer Zeit allerdings möglicherweise durchaus brauchbar. Aufschluss gibt hier der beschreibende Text.

Hier ein Beispiel: Dieses Diagramm gehört zur Panasonic Lumix DMC-TZ5, eine kompakte Reisezoomkamera von 2008. Sehr gute Ergebnisse liefert sie vor allem bei Makroaufnahmen und sie ist eine gute Familien- und Reisekamera. Tieraufnahmen gehen ebenfalls gut und mit leichten Abstrichen auch Portraits. Für Sportaufnahmen ist sie allerdings (wie fast alle Kompaktkameras) völlig ungeeignet. Dass die Bewertung als Familien- oder Reisekamera nicht besser ausfällt, liegt daran, dass neuere Kompaktkameras bei höherer Auflösung ein besseres Rauschverhalten zeigen und man mit Spiegelreflexkameras und geeigneten Objektiven noch bessere Bilder hinbekommt.

Die Bilder dieser Kamera sind mit 9 Megapixeln natürlich für den Bildschirm und Fotodrucke mit 15x10 cm bestens geeignet. Für vollformatige Bildern im DIN-A4-Fotobuch reicht die Auflösung ebenfalls (wenn auch mit wenig Reserven, wenn man das Bild beschneiden möchte) und auch für ein großes Poster reicht die Auflösung bei leicht reduzierter Druckauflösung gut aus.

Die Diagramme werden größtenteils aus den technischen Daten der Kamera abgeleitet. Da aber so manche Kamera nicht die Bildqualität erreicht, die maximal möglich wäre, gibt es Korrekturfaktoren, mit denen ich Negativausreißer ins rechte Licht rücken kann. Eine weitere Information steckte bisher in den technischen Daten noch nicht drin: Wie gut ist das Handling einer Kamera, die Einschaltzeit bis zum ersten Foto, Fokussier- und Auslösezeiten sowie die Dauer bis zur nächsten Aufnahme. All das wird nun in eine Zahl kondensiert, die in manchen Disziplinen in die Bewertung mit einfließt. Diese Korrekturzahlen werden nirgends angezeigt, weil sie sehr erklärungsbedürftig wären. Falls Sie allerdings bei Ihrer Lieblingskamera den Eindruck haben, dass sie im Vergleich zu anderen Modellen zu schlecht wegkommt – melden Sie sich. Wenn ich das nachvollziehen kann, werde ich die Stellschrauben entsprechend justieren.

Ich sehe die Bewertungsfunktion als „Work in Progress“. Nicht mit allen Algorithmen bin ich bereits vollkommen zufrieden. Ich freue mich daher über Anregungen und Hinweise aller Art. Ich werde vermutlich an der einen oder anderen Stelle noch optimieren, daher können sich die Bewertungen im Laufe der Zeit auch noch verändern.

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Was ist digicammuseum.de?

Die analoge Fotografie blickt auf eine etwa 170-jährige Geschichte zurück, seit etwa 100 Jahren sind Fotoapparate auch für Privatleute erschwinglich. Trotzdem sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis die Fotografie zu einem Hobby für Millionen von Menschen wurde und der Fotoapparat zum selbstverständlichen Accessoire jeder Urlaubsreise.

Um so überraschender ist es zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit die etablierte Technik in wenigen Jahren nach der Jahrtausendwende in eine Nischenexistenz zurückgedrängt wurde. Ersetzt wurde sie durch Digitalkameras. Diese haben in kürzester Zeit eine atemberaubende Evolution durchlaufen und haben ihre analogen Vorfahren weitgehend überflüssig gemacht. In fast allen Haushalten wurde die alte Spiegelreflex- oder Kompaktkamera durch ein digitales Modell ersetzt.

Während die meisten analogen Kameras viele Jahre, teilweise auch Jahrzehnte lang genutzt wurden, landen die meisten Digitalknipsen nach drei bis vier Jahren in der Schublade und müssen einem leistungsfähigeren Modell weichen. Die technischen Fortschritte werden jedoch immer kleiner. Digitalkameras haben einen Stand erreicht, der keine drastischen Verbesserungen mehr zulässt. Der Boom fand seinen Höhepunkt um die Jahre 2008-2010 und hat seither deutlich nachgelassen.

Das ist auch schon rein äußerlich zu erkennen: In den ersten Jahren war bei den Herstellern von Digitalkameras der Wille zu beobachten, die neue Technik auch für Innovationen in Design, Bedienung und Funktionalität zu nutzen. Inzwischen ist diese Phase weitgehend vorbei und die Hersteller haben zu den aus analoger Zeit bekannten Kameratypen zurückgefunden: Kompaktkameras auf der einen und Systemkameras auf der anderen Seite.

Die in Smartphones eingebauten Kameras sind inzwischen jedoch so gut, dass sie Kompaktkameras die Existenzberechtigung geraubt haben. Wozu ein separates Gerät kaufen, wenn man vergleichbare Bilder auch mit dem Handy hinbekommt, das man zudem immer in der Tasche hat?

Es entsteht so im Moment die paradoxe Situation, dass so viel fotografiert wird, wie noch nie in der Geschichte - und gleichzeitig immer weniger "richtige" Kameras verkauft werden. Mag sein, dass die Ära der Fotoapparate für jedermann zu Ende geht und bald nur noch Hobbyfotografen und Profis als Kamerakäufer übrig bleiben. Deswegen ist nicht zu früh, die "wilden Jahre" der Digitalkamera-Entwicklung zu dokumentieren.

Diese Homepage war anfangs vor allem als virtuelles Museum meiner Kamerasammlung gedacht. Inzwischen ist daraus ein Projekt geworden, bei dem ein wachsender Kreis von Autoren tolle Beiträge zur Digitalkamera-Geschichte beisteuert. Den weitaus größten Anteil daran hat Ralf Jannke, der mit seinen Praxisbeiträgen die verschiedensten Themen detailliert behandelt und großartig bebildert. Was sich allerdings nicht geändert hat: Die Homepage ist ein reines Hobby- und Spaßprojekt. Wir freuen uns über den Austausch mit anderen Sammlern und Fotobegeisterten. Es gibt keine Werbung und wir sind auch keine bezahlten Influencer. Falls Sie allerdings noch eine spannene Kamera herumliegen haben, die Sie nicht mehr brauchen - wir sind immer auf der Suche nach weiteren Exponaten.

Boris Jakubaschk